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Der Delta-Stern

Der Delta-Stern

Titel: Der Delta-Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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»Aber haben Sie nicht doch mal einen hier rumlungern sehen, 'n echten Zuhälter sozusagen?«
    »Mir kommen keine Nigger ins Wonderland-Hotel«, erklärte Oliver Rigby. »Und auch keine Bohnenfresser.« Dann sah der Empfangschef die dunklen Augen und die dunkle Hautfarbe von Mario Villalobos, erinnerte sich, daß dessen Name spanisch geklungen hatte, und fügte schleunigst hinzu: »Natürlich hab ich nie was gegen die sauberen und anständigen Mexikaner gehabt, wennse verstehen, was ich meine.«
    »Klar doch«, sagte Mario Villalobos.
    »Ich bin wirklich 'n Fan von Fernando Valenzuela und diesen ganzen anderen Bohnenfressern … diesen ganzen anderen Mexikanern und Ausländern in der Dodger-Mannschaft«, sagte der Empfangschef.
    »Ich auch«, seufzte Mario Villalobos. »Wir kommen aus demselben Dorf, aber ich hab 'n Blitzkurs in Englisch gemacht. Können wir jetzt mal auf Missy Moonbeam zurückkommen? Hat sie wirklich nie mal 'n Freier mit hergeschleppt? Sie können mir da vertrauen, Oliver. Ich bin kein Sittencop. Ich bin hinter Menschen her, die Menschen umbringen. Mir ist es scheißegal, wer in meinem Revier Freier anmacht. Mir ist es scheißegal, wer Pferdewetten annimmt oder mit Dope zu tun hat, und mir ist es sogar scheißegal, wer hier Radkappen klaut, solange es nicht meine eigenen sind. Mein Job ist es wirklich einzig und allein, Leute zu schnappen, die andere Leute umbringen. Und auch bloß dann, wenn sie das in meinem Revier tun. Kapieren Sie endlich, worauf es mir ankommt? Lügen Sie mich nicht an, denn Ihr Hotel liegt nun mal zufällig in meinem Revier, und irgendwer hat da zufällig irgendwen vom Dach geschubst. Kommse mir nich mit Lügen, oder ich bin echt sauer auf Sie, Oliver.«
    Oliver Rigby sah die tiefen Falten um den Mund des Detectives, die Haare, die für sein Alter zu grau waren, und die braunen Augen, die bestimmt schon fast alle Schlechtigkeiten gesehen hatten. Er wußte, wen man bescheißen konnte, und natürlich hatte er im Verlauf seines armseligen Lebens in der Gosse gelernt, wen man besser nicht bescheißt. »N paar Freier hat sie schon mal mit hochgenommen. N ganz paar, wennse verstehen, was ich meine.«
    Mario Villalobos wußte natürlich, daß Oliver Rigby nur zu genau wußte, wie viele Freier Missy Moonbeam jemals mit aufs Zimmer genommen hatte, weil sämtliche Oliver Rigbys dieser Welt von sämtlichen Missy Moonbeams dieser Welt regelmäßig ihren Anteil dafür kassieren, daß sie ihnen erlauben, Freier mit aufs Zimmer zu nehmen, und außerdem die Klappe halten und sie vorwarnen, sobald jemand, der wie ein Sittencop aussieht, den Aufzug betritt und in das Stockwerk fährt, in dem sie wohnen.
    »Hat sie Samstag abend 'n Freier mit aufs Zimmer genommen, Oliver? Irgendwann zwischen neun Uhr und dem Moment, wo sie ihren Kopfsprung vom Dach runter gemacht hat? Überlegen Sie genau, Oliver. Und machen Sie keinen Fehler, durch den ich unnütze Laufereien hab.«
    »Ich schwör bei Gott, sie hatte keinen mit hochgenommen«, sagte Oliver Rigby. »Da war bloß dieser Kerl, dieser große Kerl, der is da 'n paar Minuten, nachdem ich den Schrei und das Gequietsche von den Bremsen auf der Straße gehört hab, runtergekommen. Sehnse mal, ich will wirklich keinen Ärger haben. Hält ich bloß nix von dem Kerl erwähnt, als die Cops Samstag abend gekommen sind. Ich wette, daß sich Missy selber von diesem Scheißdach runtergestürzt hat, davon bin ich fest überzeugt. In den vergangenen Jahren haben sich hier ja schon mal zwei Mädchen selber vom Dach gestürzt. Is doch nix Besonderes.«
    Und das, dem mußte Mario Villalobos beipflichten, war ein äußerst passender Nachruf für sämtliche Thelma Bernbaums, die, nach einem Umweg über den Strich von Hollywood, auf dem stählernen Tisch des Leichenbeschauers landeten. Is doch nix Besonderes.
    Aber es gab ein Problem bei der Selbstmordtheorie von Oliver Rigby. Ein sehr großes Problem, das dagegen sprach, die Akte Missy Moonbeam einfach zu schließen und den Fall als Selbstmord zu klassifizieren, was Mario Villalobos natürlich am liebsten getan hätte. Die ersten Polizeibeamten, die Samstagabend am Unglücksort eingetroffen waren, hatten einen Schuh von Missy Moonbeam auf dem Flur gefunden, der zum Dach führte. Sie hatten ein Stück ihrer Strumpfhose gefunden, das ihr vom Bein gerissen worden war und am Schacht der Klimaanlage auf dem Dach hing. Sie hatten auf der Stufe an der Tür zum Dach zwei von Missy Moonbeams falschen Fingernägeln entdeckt.

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