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Der Delta-Stern

Der Delta-Stern

Titel: Der Delta-Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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Zum großen Bedauern von Mario Villalobos war Missy Moonbeam wahrscheinlich eben doch aus ihrem Zimmer in die siebte Etage und aufs Dach geschleift worden, bevor sie den amtlichen Messerhelden mit ihren Macheten, die so wild auf die Serie Days of Our Lives waren, in die Finger geriet.
    Missy Moonbeams Zimmer war von den Detectives, die Samstagnacht den Anruf bekommen hatten, gründlich untersucht worden. Da gab's keine vielversprechenden Fingerabdrücke mehr, die noch Hoffnungen wecken konnten. Da gab's keine Anzeichen für einen Kampf im Zimmer. Es sah ganz so aus, als habe der Killer sie draußen vor der Tür oder im Flur überwältigt. Die Tür war nicht abgeschlossen, und die Schlüssel steckten noch in ihrer Handtasche, so daß es durchaus möglich war, daß Missy Moonbeam den Killer gekannt hatte.
    In Anbetracht dieser unnatürlichen Lage der Dinge war die Annahme, daß der Killer jemand war, den sie als Freier mitgebracht hatte, eigentlich ganz natürlich. Aber sie war vollständig bekleidet gewesen, als sie fünf und mehr Stockwerke tiefer auf das Dach des kleinen Lieferwagens geprallt war. In der Handtasche hatte kein Geld gesteckt, und in der Strumpfhose oder im BH hatte sie auch nichts versteckt gehabt. Das Bett war ordentlich gemacht, so daß, alles in allem, die Theorie vom Mordfreier tatsächlich nicht mehr sehr wahrscheinlich war. In ihrer Vagina, im Anus oder im Mund hatte sich keine Samenflüssigkeit gefunden. Mario Villalobos hatte die Sache bei der Hollywood, der Wilshire und der Central Division gegengecheckt. Seit mehreren Monaten war dort keine Straßennutte mehr ermordet worden, und frühere Opfer waren anders als dieses getötet worden.
    Mario Villalobos benutzte den Hauptschlüssel, den ihm Oliver Rigby gegeben hatte, brach das Siegel des Coroners auf, trat ein, setzte sich in dem trostlosen kleinen Zimmer aufs Bett und spürte, wie sehr ihm momentan ein doppelter Wodka fehlte. Er war auf dem besten Wege, sich damit abzufinden, daß die Sache alle Anzeichen besaß, ein Fall zu werden, der von einer wahren Flut von Nachuntersuchungsberichten mit dem Zusatz »Die Ermittlungen dauern an!« mehr und mehr zugeschüttet und am Ende vergessen wurde. Wenn Straßenhuren von unbekannten Tätern um die Ecke gebracht wurden, gab es immer unendlich viele Spekulationsmöglichkeiten. Gewöhnlich aber fielen einem bei all diesen Fällen bloß faule Ausreden ein, »eine Festnahme steht unmittelbar bevor« und dergleichen, wenn sich der Lieutenant alle paar Monate nach dem Stand der Dinge erkundigte.
    Sogar bei Missy Moonbeams Adreßbuch konnte man trübsinnig werden. Es enthielt die Namen sämtliche Superstars in Hollywood und außerdem die Telefonnummern, die angeblich den Superstars gehörten. Er rauchte und schüttelte müde den Kopf, als er sich vorstellte, wie diese zierliche Kokssüchtige mit dem eintätowierten Mann im Mond oben am Schenkel das Ego und den schlaffen Penis eines Freiers streichelte, der ihn nicht hochkriegte, bis sie ihm zeigte, was für ein Glück er hatte, mit einem Mädchen, das regelmäßig von den größten Superstars von Hollywood gebumst wurde, eine Nummer schieben zu können. Hier waren jedenfalls deren Namen und Telefonnummern in ihrem Adreßbuch, das war ja wohl der Beweis. Und sobald der Freier sich dann die Namen anguckte, war die Vorstellung, daß er gerade eine Mieze vögelte, die seine Lieblingsstars auch schon gevögelt hatten, oft genug das allerbeste Aphrodisiakum. Burt und Clint und Warren und … Herr des Himmels! Paß auf, Mann im Mond! Mir kommt's!
    Es war ein derart abgewichstes Spielchen, daß dem Detective plötzlich sämtliche Thelma Bernbaums leid taten, die er je gekannt hatte. Als er sich dann das Adreßbuch genauer anschaute, entdeckte er hinten im Buch eine andere Schrift. Da waren Figuren um einen Namen gemalt, schnörkelige Linien und ein gezacktes, verrücktes, fetziges Gekritzel. Neben dem Buch lag ein roter Kugelschreiber. Ein Name und eine Telefonnummer waren zwischen die gezackten Figuren gekritzelt. Die Eintragung war nicht so sauber wie die anderen Namen und Nummern, die offensichtlich von einem Kind aus Omaha geschrieben worden waren, dem man von Anfang an das Schönschreiben nach der Palmer-Methode beigebracht hatte. Sicher, sie war von derselben Hand geschrieben worden, aber sie war hingeworfen, nein, quer über die Seite gefetzt worden. Sie stand weder auf der Seite mit den Bluffnummern noch auf der mit den echten Nummern, denen der

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