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Der Delta-Stern

Der Delta-Stern

Titel: Der Delta-Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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einen blies. Netterweise schenkte sie anschließend jedem eine Anstecknadel in Form einer Blume, was sozusagen ihr Markenzeichen war. Die Cops sagten, daß sie irgendwann eigentlich mal eine Blumenkinderversammlung veranstalten sollten, aber die müßte dann im Los Angeles Memorial Coliseum, dem Fußballstadion im Exposition Park, stattfinden, das gut 90.000 Menschen Platz bot.
    Die Sache mit der Geilen Mutter geriet ein bißchen außer Kontrolle, als Cops zwischen San Pedro und Foothill inständig baten, in ihr Hospital gebracht zu werden, wenn sie im Dienst verletzt wurden. Eines Abends saßen dort in der Notaufnahme mehr Cops mit Bandagenattrappen, als sich beim Namensappell zu Beginn der Nachtschicht gemeldet hatten. Mehrere uniformierte Cops waren nämlich außerdienstlich erschienen. Das war der Moment, in dem Jones, der Bläser, und andere Aufpasser angewiesen wurden, dem Treiben ein Ende zu machen.
    Der letzte Befehl kam sozusagen vom Himmel. Vom Deputy Chief Delmore Downs, dem Polizeikaplan, einem überaus fanatischen Christen, der sich, wie die Cops sagten, allein deshalb nicht in die momentan modische Theorie einordnen ließ, alle Menschen würden grundsätzlich wiedergeboren, weil er als Ergebnis einer unbefleckten Empfängnis auf die Welt gekommen war. Deputy Chief Delmore Downs war eines Tages nicht mal davor zurückgeschreckt, den Routineappell der Rampart Division mit einem Gebet anzureichern, in dem er sämtliche Cops rund um Hollywood eindringlich vor dem Feuer der Hölle warnte. Gerade sie seien ja in besonders hohem Maße gefährdet, weil sie effektiv mit allem in Berührung kamen, mit schwerem Diebstahl und Einbruch ebenso wie mit Sexualdelikten im Griffith Park, und weil sie mit jeder Sorte Frau zu tun hatten, mit Straßenhuren ebenso wie mit Pfadfinderinnen.
    Deputy Chief Downs war dann über den bösen Streich, den ihm jemand ausgerechnet an diesem Tag spielte, äußerst verärgert. Ein anonymer Lyriker hatte einen ekelhaften pseudoreligiösen Song mit obszönen biblischen Anspielungen verfaßt. Er war auf Kassette aufgezeichnet worden und wurde über den Sender des Deputy Chiefs nach überallhin ausgestrahlt. Der gewissermaßen scheinheilige Song war ausdrücklich Deputy Chief Delmore Downs gewidmet und wurde von einer männlichen Sopranstimme gesungen.
    Die allerletzte Gemeinheit war die, daß irgendein unbekannter Cop einen getürkten Fahndungsbericht verfaßte, demzufolge am Spielplatz im Echo-Park mehrfach Kinder belästigt worden waren und als mutmaßlicher Täter eine Person gesucht wurde, deren Beschreibung haargenau auf den verdammten Deputy Chief paßte, der an dem Tag im Echo-Park mit einer Gruppe von Bürgern gesprochen hatte. Das Gerücht, der Deputy Chief sei ein Kinderverderber, verbreitete sich so rapide wie Herpes. Hunderte von Cops waren nur zu gern bereit, daran zu glauben. Am Ende erschien eine Karikatur in der abscheulichsten Underground-Zeitung von Los Angeles. Jemand, der sich selbst als den Renoir der Rampart Station bezeichnete, hatte sie angefertigt. Sie zeigte das Bild eines riesigen, häßlichen Gänsegeiers, der ein Baby davonschleppte. Der Gänsegeier trug die Mütze und die Rangabzeichen eines Deputy Chiefs beim Los Angeles Police Department.
    Deputy Chief Downs nahm dann bei seinem letzten Besuch in der Rampart Station Jones, den Bläser, beiseite. Er teilte dem mickrigen Sergeant mit, er wisse ja, wie sehr man auf ihn bauen könne. Er sagte auch, er würde ihm für seine Hilfe auf immer und ewig dankbar sein. Es lief jedenfalls darauf hinaus, daß er von dem »Künstler«, der die unflätige Karikatur gezeichnet hatte, quasi die Eier forderte.
    Jones, der Bläser, war daraufhin allgegenwärtig. Cops beklagten sich darüber, daß sie ihn, wohin sie auch gingen, im Rückspiegel sahen. Daß er sie von Hausdächern herab mit Ferngläsern beobachtete. Daß jedesmal, wenn sie Feierabend hatten, ihre Spinde in Unordnung gebracht und die Handschuhfächer ihrer Privatwagen durchwühlt worden waren. Natürlich waren die allermeisten Beschwerden nichts weiter als Symptome jenes schizophrenen Verfolgungswahns, an dem Polizisten überall leiden. Jones, der Bläser, konnte nicht mal einen Bruchteil der Dinge getan haben, deren er beschuldigt wurde, obgleich es stimmte, daß er Spinde durchstöberte, wenn die Cops auf Streife waren. Er zerstörte mehrmals ihre Fallen, womit der Beweis erbracht war: zerrissene Fäden und dünne Papierstreifen, die von schizophrenen Polizisten

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