Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Delta-Stern

Der Delta-Stern

Titel: Der Delta-Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
Vom Netzwerk:
dem sie nicht so entsetzlich kaputt war.
    »Ja, kann sein«, sagte sie. »Sieht ja natürlich eine wie die andere aus, diese Huren. Aber gut, die hier? Kann sein. Ich hab mir eigentlich schon immer gedacht, daß es mit dem mal so enden würde, daß er sich in irgend so 'nem Puff zu Tode vögelt.«
    Mario Villalobos stellte noch ein paar Fragen, auf die er jedoch keine Antworten kriegte, die ihn voranbrachten, und am Ende gab er der Wirtin seine Karte. »Wenn Ihnen noch was einfällt, zu dem blonden Mädchen oder zu Lester Beemer, rufen Sie mich einfach an.«
    »Er war 'n alter Lustmolch«, sagte die Wirtin, als sie die Karte einsteckte.
    »Aber er hat immer seine Miete bezahlt!« nickte Mario Villalobos.
    Die nächste Station war das Haus der Halbtagssekretärin von Lester Beemer, deren Name unter dem Satz IN NOTFÄLLEN ZU BENACHRICHTIGEN auf dem Türschild von Lester Beemers früherem Büro gestanden hatte.
    Sie sah selber aus wie ein Notfall. Sie hieß Mabel Murphy. Sie hatte ein rotes irisches Gesicht und einen Großteil von dem, was sie an freien Tagen zu trinken pflegte, schon intus. Sie war um vier Uhr nachmittags halb hinüber.
    »Oh, Scheiße!« sagte sie, als Mario Villalobos ihr seine Dienstmarke zeigte. »Ich dachte, Sie wären vielleicht 'n Versicherungsmensch. Ich hab immer gehofft, der alte Lester hält dafür gesorgt, daß ich irgendwoher noch 'n paar Piepen krieg. Blöd von mir. Bloß weil der alte Sack seine Rechnungen für Licht und Gas und Telefon immer drei Tage im voraus bezahlt hat.«
    »Wie lange haben Sie eigentlich für ihn gearbeitet, Miß Murphy?« fragte Mario Villalobos, während er sich in ihrem sechzig Jahre alten Holzhaus umschaute, das in einer Zeit gebaut worden war, als die meisten Schwarzen in Pasadena die Diener der Reichen waren und bei ihnen wohnten. Inzwischen wohnten in dem Viertel, in dem Mabel Murphys Haus stand, nur noch schwarze Arbeiter.
    »Fünfzehn Jahre, mit Unterbrechungen«, sagte sie. »Lester war gar nicht mal so 'n schlechter Kerl. Hat bloß zuviel getrunken« – und dabei sagten ihre Augen: Tun wir das nicht alle? »Ist allmählich auch Zeit für meinen ersten heute.« Sie stand auf, watschelte zum Kühlschrank, nahm ein Achtelliter Milch heraus und goß sie in ein Wasserglas, das sie dann mit Scotch auffüllte.
    »Magengeschwür?« fragte Mario Villalobos.
    »Nee, 'n Magen wie Eisen«, sagte sie. »Bloß ich trink gern diese Milk-Balls. Hab's von den Farbigen hier in der Nachbarschaft gelernt.«
    »Lester Beemers Wirtin hat gesagt, er hätt ne ziemliche Schwäche für Prostituierte gehabt.« Mario Villalobos steckte sich eine Zigarette an, nachdem Mabel Murphy sich hingesetzt hatte.
    »Ne Schwäche? Und ob«, grinste sie. »Alle Sorten. Da war er nicht wählerisch. Hauptsache, sie waren jung.«
    »Haben Sie die hier mal gesehen?« fragte Mario Villalobos und zeigte ihr das Polizeifoto von Missy Moonbeam.
    Sie hielt es unter die schlechte Kopie einer Tiffanylampe und sagte: »Hübsches Mädchen. Nein, ich hab höchstens mal eine oder zwei von denen gesehen. Er hat sie nur selten mit ins Büro gebracht. Aber ich hab jede Menge Telefongespräche mitgekriegt, und ich weiß, daß er 'n Haufen Geld dafür springen lassen hat, um Mädchen zum Bumsen aufzureißen, für sich und die Klienten.«
    »Für Klienten? Was für Klienten?«
    »Das weiß ich nicht«, sagte sie. »Ich mußte hauptsächlich Telefonanrufe beantworten, Briefe schreiben, Buchhaltung machen, Rechnungen bezahlen. All so was. Seine Akten waren sehr schlampig, aber er wollt's so haben. Ich glaub nicht, daß er in der ganzen Zeit, wo ich für ihn gearbeitet hab, zehntausend Dollar Einkommensteuer gezahlt hat. Er war 'n alter Geheimniskrämer. Nicht gerade ein Vorbild an Ehrenhaftigkeit, wenn Sie verstehen, was ich meine. Hat aber mein Gehalt immer pünktlich bezahlt. Ich hab mittwochs, donnerstags und freitags für ihn gearbeitet. In der übrigen Zeit hatte er auf den Anrufbeantworter umgeschaltet.«
    »Woran ist er gestorben?«
    »Das Herz«, sagte sie. »Hatte zweimal ne Operation am offenen Herzen. Beim letzten Mal haben sie ihm 'n Schrittmacher eingebaut. Das hat ihn aber nicht davon abgehalten, weiter Spaß am Saufen und an seinen Zigarren zu haben, und ich möcht schwören, daß es ihn auch nicht vom Rumhuren abgehalten hat. Ich glaub, er hat's fast genossen, daß er 'n krankes Herz hatte. Er hatte seinen Spaß daran, jedem zu erzählen, er würde noch vor Weihnachten sterben. Jedes Weihnachtsfest

Weitere Kostenlose Bücher