Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Delta-Stern

Der Delta-Stern

Titel: Der Delta-Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
Vom Netzwerk:
solange da noch irgendwo ein loser Faden baumelte. Damals hatte er nie zu denen gehört, die eine bizarre Theorie aufstellten und ein in den Rücken geschossenes Mordopfer in einen Selbstmörder verwandelten (wie es bei einer anderen Division tatsächlich vorgekommen war), bloß um so einen schwierigen Fall loszuwerden.
    Inzwischen jedoch war er ein ganz anderer Mensch geworden. Er war zu Tode erschöpft. Zu jeder Tages- und Nachtzeit. Er hätte Missy Moonbeams Tod im Grunde nur zu gern als Selbstmord hingestellt, wenn er überzeugt gewesen wäre, seinem Lieutenant einreden zu können, daß sie die paar Fingernägel und das Stück Strumpfhose schlicht und einfach auf dem Weg zu ihrem Salto vorwärts verloren hatte. In letzter Konsequenz allerdings hatte er keinen blassen Schimmer, warum er sich in diesen Fall trotzdem so verbiß. War's vielleicht bloß eine gigantische Langeweile? War er neuerdings derart gelangweilt und erschöpft, derart unerklärlich außer Tritt, daß er sich quasi aus Selbsterhaltungstrieb veranlaßt fühlte, einfach irgendwas zu tun! Irgendwas Nostalgisches? Schlicht so was wie polizeiliche Ermittlungsarbeit?
    Die Kreditkarte bereitete ihm Kopfzerbrechen. Er wußte einiges über das Restaurant Pusan Gardens, wo der Schreckliche Tscheche die Karte gefunden hatte. Der Sergeant von der Sitte hatte ihm erzählt, daß der Restaurantbesitzer regelmäßig asiatische und nichtasiatische Animiermädchen anheuerte, die den Kunden Drinks aus der Nase ziehen sollten. Er wußte, daß es alle Missy Moonbeams dieser Welt normalerweise mit Leichtigkeit schafften, asiatischen Freiern mehr Geld als weißen oder schwarzen Männern abzuluchsen. Vielleicht kannten sich Missy Moonbeam und Lester Beemer einfach nur vom Strich in Hollywood. Es war durchaus vorstellbar, daß sie manchmal im eigenen Auto oder im Taxi nach Pasadena gefahren war, um dem alten Knaben mal was Nettes zu bieten. Und daß sie und Lester in diesem zwielichtigen Motel, in dem seine Leiche gefunden worden war, zum letzten Male gevögelt hatten.
    Aber warum im Motel? Warum nicht in Lesters eigenem Apartment – allein um Geld zu sparen, wenn's schon keine anderen Gründe gab? Lester Beemer dürfte sich wohl kaum Sorgen darüber gemacht haben, was die Nachbarn dachten. Das größte Warum war der hingefetzte Name in ihrem Adreßbuch, der Name eines toten Mannes zwischen lauter verrücktem Gekritzel, das mit Schnörkeln und mit Linien wie Dolchen dekoriert war. Und die Nummer der Abteilung Chemie beim California Institute of Technology? Wenn das Mädchen den toten Mann nicht angerufen hatte, wen hatte sie dann angerufen, um ihn nach dem toten Mann zu fragen?
    »Gottverdammte Scheiße!« sagte Mario Villalobos laut, als er den Freeway verließ, um gleich wieder rauf und in nördlicher Richtung nach Pasadena zu fahren. Weniger denn je wollte er den Fall jetzt noch aus den Fingern lassen.
    Fünfzehn Minuten später unterhielt er sich im Bestattungsinstitut der Gebrüder Llewelyn auf der Lake Avenue in Altadena mit dem Mann, der die Leiche abgeholt hatte.
    »Natürlich war das kein Fall für den Coroner, Sergeant«, sagte der Leichenbestatter.
    Er sah gar nicht so aus wie einer der für Hollywood typischen Bestattungsunternehmer. Er sah eher aus wie einer, der Bodybuilding machte, und das tat er auch. Seit das Familienunternehmen in einer nur noch von Schwarzen bewohnten Gegend lag, hielt es der derzeitige Boß der Bestattersippschaft für klug, daß sich die Jungs von Llewelyn körperlich stets fit hielten. Zweimal in den letzten Jahren hatten Gangster versucht, das Beerdigungsinstitut auszurauben, schlicht in der Art, in der Ganoven früher Schnapsläden zu überfallen pflegten. Die vornehmen alten Zeiten von Altadena waren längst vorbei.
    »Ich entnehme Ihrer Bemerkung, daß der Totenschein von einem Arzt ausgestellt worden ist«, sagte Mario Villalobos.
    »Aber hundertprozentig«, sagte der Leichenbestatter. »Ich hält ihn sonst nicht angerührt, in so 'nem Motel wie dem. Sobald die Polizei auf seinem Armband mit den Herzschrittmacherdaten den Namen seines Arztes entdeckte, haben sie den angerufen. Und der hat mir dann später erzählt, daß er überhaupt nicht erstaunt war, daß Mr. Beemer auf die Art gestorben ist, in einem miesen Motel.«
    »Lag es eindeutig an seinem Herzen?«
    »Eindeutig. Wahrscheinlich auch schon beim Vorspiel, weil er noch vollständig bekleidet war. Er lag ganz friedlich im Bett. Natürlich war das Mädchen abgehauen, wer

Weitere Kostenlose Bücher