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Der Delta-Stern

Der Delta-Stern

Titel: Der Delta-Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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nahm das offene Ende dieser Handschelle und ließ es ebenfalls zuschnappen. Um dasselbe Handgelenk. So frei und unbehindert, mit beiden Handschellen an einem Handgelenk, fühlte er sich dann gleich auch an San Quentin erinnert und strahlte wie ein glücklicher Junge, der endlich nach Hause darf.
    Er sagte: »Okay, jetzt wird gekämpft.«
    Und während fünf junge Cops, darunter Jane Wayne, dieser entsetzlichen Aussicht tapfer ins Auge blickten, kamen zwei verletzte ältere Cops, die ihre Erfahrungen schon hinter sich hatten, aus dem Korridor in die Küche getaumelt. Der eine war Runzel-Ronald, und der andere war Wilbur Richfield, der seinen Dienstrevolver, den er endlich doch noch zu fassen gekriegt hatte, in der linken Hand hielt.
    »Nee, nu wird nich mehr gekämpft«, sagte Wilbur Richfield krächzend. »Der kleine Krieg is aus.«
    Albert Grubb sagte: »Sie dürfen mich gar nicht abknallen. Ich hab doch gar keine Waffe. Da würden Sie jede Menge Ärger kriegen.«
    Wilbur Richfield sagte: »Gleich biste tot, du Arsch. Das haste verdient.«
    Albert Grubb sah sich den schwarzen Cop genau an. Er hörte die bebende Stimme, sah, wie der Finger am Abzugshahn zitterte, und begriff, daß ihm dieser Nigger bei der kleinsten Bewegung das Gesicht wegpusten würde.
    »Okay, Jungs«, sagte Albert Grubb. »Ich ergeb mich. Bin sanft wie 'n Lamm.«
    Als nächstes passierte das, was nach einem gefährlichen Kampf oder nach einer Verfolgungsjagd ziemlich oft passiert, wenn die Cops rasend sind vor Wut und gleichzeitig die Hosen gestrichen voll haben. Es erfüllt Zuschauer und Leitartikelschreiber und Anwälte und Richter immer wieder mit Entsetzen, wenn die Cops später wegen übertriebener Gewaltanwendung angeklagt sind und vor Gericht stehen. In solchen Situationen ist das immer schon passiert und wird auch in Zukunft immer wieder passieren, trotz aller Belehrungen, die pausenlos und überall in der Welt erteilt werden. Fünf völlig außer sich geratene, tollwütige und rachsüchtige Menschen, nämlich alle, die nach der irrsinnigen Schlägerei physisch noch dazu in der Lage waren, stürzten sich auf dieses sanfte Lamm, und mit ihren Fausthieben, Knüppelschlägen, Würgegriffen und Handschellenhieben schafften sie es, aus Albert Grubb wenigstens teilweise Ketchup zu machen.
    Der andere Moment, der in den Legendenvorrat der Polizei aufgenommen werden sollte, war gekommen, als Albert Grubb, seit längerem auf der Erde liegend, seinen Kopf zu schützen versuchte, seine für ihn gar nicht unerwartete Tracht Prügel kassierte und sich bereits ausmalte, daß bald ja auch wieder schönere Tage kommen würden, sobald er tatsächlich wieder zu Hause war und die ersten Schlitzaugen und Nigger auf dem Knasthof zusammenschlagen konnte.
    Und dann rollte Aggie Grubb ihr mageres Knochengerüst rüber zu dem Haufen fluchender, brüllender, rachsüchtiger Cops, die sich nach Kräften abmühten, Albert Grubb jede erdenkliche Mißhandlung angedeihen zu lassen, die nicht direkt zum Tode führte. Und sie wurde zum Einpeitscher.
    »Tretet ihn zusammen! Haut ihn kaputt! Nehmt den Knüppel!« kreischte sie.
    Und einer der Cops, der gerade auf Albert Grubb eindrosch, schaute zu ihr hoch und hielt verblüfft inne.
    Aggie Grubb schaffte sich richtig rein. Ihre scharfen und kalten Augen funkelten wie Handschellen. Sie beugte sich in ihrem Rollstuhl ganz weit vor, um auf keinen Fall zu verpassen, wie ein Cop mit seinem Knüppel auf Albert Grubbs Birne eindrosch.
    »TRETET IHN ZUSAMMEN!« kreischte Aggie Grubb, und vor Aufregung rann ihr der Geifer über das Kinn. »NEHMT EURE FÜSSE! REISST IHM DIE AUGEN RAUS!«
    Daß das Ketchup-Spielchen dann ganz plötzlich zu Ende war, lag wahrscheinlich mehr an Aggie Grubbs Einpeitscherei als an der Erschöpfung der Spieler. Sämtliche Cops, Jane Wayne eingeschlossen, starrten Albert Grubbs Mutter zutiefst verwundert an.
    »ALSO, IHR WOLLT DOCH JETZT NICHT ETWA AUFHÖ-REN, ODER ETWA DOCH, IHR DRÜCKEBERGER?« schrie sie und entblößte dabei ihren einzigen Zahn. Und geiferte.
    Von diesem Moment an wurde von Aggie Grubb immer nur als von der Mutter des Jahres gesprochen, jedesmal, wenn sich die Cops der Rampart Station trafen, um gemeinsam einen zu heben, zu quatschen und sich an die ach so guten alten Zeiten zu erinnern.
    Wenn es bei alldem auch nur eine Spur von Gerechtigkeit oder, je nachdem, Ironie gab, so trat sie erst zutage, als Sunney Kee, der am Ende wegen seines Nervenleidens eine medizinisch begründete

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