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Der Delta-Stern

Der Delta-Stern

Titel: Der Delta-Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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anderen Menschen verabscheuen und hassen mußte, damit er überhaupt existieren konnte.
    Mario Villalobos, für den jungen Alec das Autoritätssymbol, derjenige, der den Jungen gegen den Widerstand seiner Mutter ins Hospital eingeliefert hatte, war für dessen Haß quasi die natürliche Zielscheibe. Und Mario Villalobos spürte am Ende, daß es die unnatürlichste Erfahrung in seinem bisherigen Leben war, für den Haß des Sohnes die natürliche Zielscheibe zu sein.
    Nach der Scheidung übernahm er ein schlimmes Kreuz. Soweit es in seiner Macht lag, traf weiterhin er die Entscheidungen, die sein Sohn durch die Bank haßte. Soweit es in seiner Macht lag, unterband er, daß der Junge heimlich weiter Drogen nahm, was der noch weit mehr haßte. Soweit wie möglich bestand er darauf, daß seine Exfrau den Jungen weiter psychotherapeutisch behandeln ließ, und das haßte der Sohn am meisten.
    Mario Villalobos glaubte, daß er wahrscheinlich kaum einen besseren Beweis für seine Liebe liefern konnte, als sich von dem Jungen hassen zu lassen.
    Der Detective stieß einen traurigen Seufzer aus und entschied, daß der Mann im Spiegel zehn Jahre älter aussah, als er wirklich war. Es war nicht der Mühe wert, den Anzug zu wechseln oder ohne Schlips zu gehen. Der Mann im Spiegel würde immer als Cop erkannt werden, egal, was er anziehen würde, und er wollte sowieso nicht versuchen, irgendwen zu täuschen. So gesehen war es ein riesiger Vorteil, bei der Mordkommission zu arbeiten: Leute, die in kleinere Verbrechen oder sogar in größere Verbrechen verstrickt waren, Leute, die nur in der Subkultur existieren konnten, hatten für gewöhnlich überhaupt keine Angst vor Morddetectives, weil sie vorsätzlichen Mord normalerweise gar nicht im Repertoire hatten.
    Was dann in dieser Nacht passierte, war der reine Treppenwitz. Er sah so sehr nach Cop aus, daß die Leute in den Homobars überhaupt nicht auf die Idee kamen, daß da tatsächlich ein Cop aufgetaucht sein könnte. Ein Strichjunge setzte sich neben ihn, keine fünf Minuten nachdem er das Lokal Hercules Heaven betreten hatte, und fragte ihn arglos und direkt, ob er nicht mal mitkommen wolle.
    »Ich such 'n gewissen Dagwood«, sagte der Detective.
    »Könnt's nicht auch Blondie sein?« sagte der junge Mann augenzwinkernd. »Oder wie war's mit Daisy?«
    »Heute abend nicht«, sagte Mario Villalobos. »Kennst du Dagwood?«
    »Ich kenn Elwood«, sagte der Stricher. »Wir können 'n Dreier machen, wenn du auf so was stehst. Wie war's, du und ich und Elwood?«
    Gegen halb elf hatte er in fünf Homobars jeweils mindestens einen Drink weggeputzt. Der Schuppen, in dem er jetzt war, hieß: The Peanut. Da gab es wenigstens ein Programm. Ein gar nicht mal so schlechtes Trio spielte Cool Jazz, und ein Sänger gab »I Only Have Eyes For You« zum besten, worüber der Detective sich richtig freute. Er schätzte, daß er bis dahin achtzehn gertenschlanke blonde Männer gesehen hatte, alle ungefähr einssechzig groß, alle zwischen dreißig und fünfunddreißig, allesamt mögliche »Dagwoods«.
    Er hatte es bei ihnen schon auf alle mögliche Weise versucht. Von »Hi, Dagwood« bis »Ich bin hier auf Motivsuche für 'n Film und könnt noch 'n paar Statisten gebrauchen. Sagste mir mal deinen Namen?«
    Gerade als er The Peanut den Rücken kehren wollte, ließ der Schlagzeuger einen Trommelwirbel ertönen, und die winzige Tanzfläche, auf der sich zwei schwule Paare einem Slow hingaben, wurde von einem Punktscheinwerfer beleuchtet. Die Paare verließen die Tanzfläche, und der Pianist kündigte Miß Connie Creampuffs an.
    Connie Creampuffs trug Ballettschuhe und ein pinkfarbenes Ballettröckchen. Connie Creampuffs trug außerdem eine pinkfarbene Punkerperücke, ein Stirnband, einen ausgestopften pinkfarbenen Büstenhalter und ein pinkfarbenes Bändchen, das unter dem Ballettröckchen hervorbaumelte. Connie Creampuffs war ein Mann, was zu erwarten gewesen war. Was man als Außenstehender jedoch nicht hatte erwarten können, war die Tatsache, daß Connie Creampuffs bei einer Größe von aufgerichtet höchstens einsfünfundsechzig bestimmt über dreihundertfünfzig Pfund wog.
    »Wollnse noch eine?« sagte der stämmige Barkeeper zu Mario Villalobos, der zuschaute, wie Connie Creampuffs eine total verrückte Stripteaseposse abzog, wozu die Menge lauthals johlte und pfiff.
    »Im Moment kann ich ja unmöglich gehen«, sagte der Detective und bestellte sich einen weiteren doppelten Wodka. Das war ja die

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