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Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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wartete Siegfried Maack mit einem Mann in grüner Uniform und den Rangabzeichen eines Gefreiten. Der Gefreite nahm Carls Tasche an sich und verschwand in einem der Flure des Erdgeschosses, während Maack mit Carl die Treppe zum ersten Stock hinaufging und ihm mitteilte, der Chef erwarte sie schon.
    Das Charakteristische im Amtszimmer des Chefs waren die zahlreichen Wappenschilder und Embleme von Organisationen aus der ganzen Welt, die hier zu Besuch gewesen waren, angefangen von der Geheimpolizei Südkoreas bis hin zu einer nicht näher bezeichneten Abteilung der CIA, die wie üblich ein Emblem mit dem weißen Stern dagelassen hatte.
    Dann standen sie vor dem Chef selbst, der es sich nicht hatte nehmen lassen, den Gast aus Schweden persönlich zu begrüßen.
    Hans May würde der einzige in St. Augustin sein, der die wahre Identität Carls kannte.
    Ein durchtrainierter Soldat, Bundesadler auf dem rechten Uniformärmel, auf der linken Brusttasche Fallschirmjäger-Abzeichen und ein paar militärische Auszeichnungen sowie geflochtene silberne Rangabzeichen auf den Schulterklappen (Carl vermutete Oberstleutnant oder Oberst). Seine Stimme war laut und befehlsgewohnt, sein Lächeln optimistisch und sein Händedruck hart.
    »Willkommen bei der GSG 9. Stehen Sie bequem, Hauptmann Charlie«, begrüßte er Carl, der keinerlei Anstalten gemacht hatte, eine auch nur annähernd militärische Haltung anzunehmen. Sein Englisch war bei weitem nicht so akzentfrei wie das von Siegfried Maack, aber Hans May sprach es flüssig und ohne jeden Fehler.
    Jetzt bin ich aber neugierig, dachte Carl, als er sich vorsichtig in einen der Besuchersessel setzte und die Beine übereinanderschlug.
    Der Oberst hielt ihm eine blaue Schachtel mit teuer aussehenden Zigaretten hin, wartete Carls »nein danke« ab und zündete sich dann mit einem goldenen Feuerzeug selbst eine an.
    »Nun«, fuhr der Oberst fort, nachdem er den ersten Zug seiner Zigarette genüßlich inhaliert hatte, »ich gehe davon aus, daß Sie die organisatorische Struktur der GSG 9 nicht näher kennen?«
    »Nein, Sir, bedaure«, erwiderte Carl schnell und ohne den Anflug eines Lächelns.
    Die GSG 9 sei in erster Linie zur aktiven Terrorismusbekämpfung geschaffen worden. Die taktische Struktur sei an die Vorstellungen des Gegners von einer Stadtguerilla angepaßt, vor allem an die Richtlinien des Brasilianers Carlos Marighella, denen zufolge eine Guerilla-Einheit nicht mehr als fünf bis acht Personen umfassen solle. Die GSG 9 bestand aus einer Reihe solcher Zellen, spezieller taktischer Einheiten mit der Bezeichnung SET (Spezialeinsatztrupp). 5 SET bildeten eine Kampfeinheit, und insgesamt besaß die GSG 9 drei solcher Einheiten. Hinzu kam Personal mit besonderen technischen Aufgaben wie etwa Taucher, Hubschrauberpiloten, Dechiffrier-Experten und so weiter.
    Carl sollte der zweiten Kampfeinheit zugeteilt werden, genauer dem ersten und zweiten SET der zweiten Einheit, den Gruppen Gelb und Blau.
    Hier hielt der Oberst mit einem Lächeln inne. Es sei ein reiner Zufall, bemerkte er, daß SET 1 und 2 die Bezeichnungen Gelb und Blau trügen, denn außer ihm selbst gebe es bei der GSG 9 niemanden, der Carls Identität und Nationalität kenne.
    Die würden auch geheim bleiben. Man werde ihn nur unter der Bezeichnung »Hauptmann Charlie« führen. Die meisten Männer würden ihn wohl für einen Amerikaner halten. Das Ganze habe natürlich nicht den Zweck, Carl »auszubilden«. Seinen Papieren nach dürfte derlei völlig überflüssig sein. Carl solle im Verlauf der kommenden Woche aber einen möglichst großen Teil der taktischen Kniffe kennenlernen, und überdies sollten die Männer der Gruppen Gelb und Blau mit Carl nähere Bekanntschaft schließen, was eines Tages eventuell von größter Bedeutung sein könne, nicht wahr?
    Hier machte Oberst May eine Pause, weil er feststellen wollte, ob Carl die feine Anspielung begriffen hatte. Sie war ihm jedoch entgangen, und er zwang sich, das sofort zuzugeben.
    »Ich bedaure sehr, Sir, aber da komme ich nicht recht mit. Ich weiß nicht, ob Sie meinen Auftrag kennen, Sir, aber… Ich soll ja under cover agieren, und unter diesen Umständen habe ich in einer Wachparade wohl kaum etwas zu suchen.«
    Bei dem Wort Wachparade ließ Oberst May ein herzliches, wenngleich ein wenig lärmendes und hartes Lachen hören.
    »Wachparade! Glänzend, Hauptmann Charlie, wirklich glänzend! Na schön, sollte das Unternehmen in Gang kommen und wir uns dem Finale nähern,

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