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Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Siegfried Maack, »bin zehn Jahre nach Hitlers Tod geboren. Ich kann also unmöglich ein Nazi sein?«
    »Ja.«
    »Aber dich befremdet trotzdem, daß ich Siegfried heiße? Und daß es mein Job ist, dieses Land gegen seine Feinde zu verteidigen, genauso, wie du Schweden verteidigst?«
    »Ja. Es ist unlogisch, aber es ist so. Ich bin wie die meisten Europäer direkt oder indirekt mit einem ausgeprägten Deutschenhaß groß geworden. Für uns ist Deutschland das Land, das man in einer Nacht auf der Autobahn hinter sich bringen muß, um so schnell wie möglich nach Paris oder Venedig zu kommen.
    Und wenn wir einen deutschen Polizisten sehen, dann ist der gute englische Bobby meilenweit entfernt, und wir denken nur daran, was Uniformierte in Deutschland alles angerichtet haben.
    Die müssen dazu keine Knobelbecher oder schwarze Monturen tragen. Es reicht, wenn einer Deutscher ist.«
    »Immerhin, du gibst zu, daß dahinter keine sehr überzeugende Logik steckt.«
    »Das ist bei den meisten gefühlsmäßigen Dingen so… Es sei denn, man ist ein unerbittlicher Rationalist, dem es egal ist, was für Gefühle er bei den Dingen hat, die er tut.«
    »Beispielsweise ein Nazi-Mörder?«
    »Wenn du willst, ja. Die Deutschen haben einfach zuviel Gewalttaten verübt, als daß man sie einfach vergessen könnte.«
    »Was die Gewalt betrifft, habe ich allerdings eine einfache Feststellung zu treffen: Ich bin zwar Deutscher und entziehe mich auch nicht der Kollektivscham, aber dein Auftritt heute morgen im Turnsaal hat doch wohl den Eindruck hinterlassen, daß deutsche Gewalt in mancherlei Hinsicht als der schwedischen unterlegen gelten muß. Wenn ich das Ganze richtig kapiert habe, so hast du doch zu erkennen gegeben, daß du den Ausbilder unter realen Bedingungen getötet hättest, oder?«
    Carl fühlte sich wie ein Idiot. Er hatte sich in eine absolut unmögliche Lage hineinmanövriert, und dennoch war die Frage für ihn so emotional belastet, daß sie sich geradezu aufgedrängt hatte. Er mußte irgendwie den Rückzug antreten.
    »Ich bitte um Entschuldigung, es ist einfach mit mir durchgegangen«, sagte er zerknirscht.
    »Damit stehst du nicht gerade allein.«
    »Nein, aber immerhin. Die Musik, die ich schätze, ist deutsche Musik. Ich lese Günter Grass und Günter Wallraff, und im Augenblick bin ich mit den Deutschen verbündet, um einem Angriff gegen mein Land zuvorzukommen. Nein, ich bin wirklich nicht ganz bei mir. Bitte nochmals um Vergebung.«
    Aber das Deutsche war ein Problem, natürlich war es das. Siegfried Maack ließ nicht locker und übernahm sogar die Initiative.
    Er sei Sozialdemokrat und wäre beinahe Kriegsdienstverweigerer geworden. Er sei Mitglied einer Anti-Atom-Bewegung mit entschieden pazifistischen Zügen gewesen, sei aber trotzdem in manchen Situationen in erster Linie Deutscher, vor allem in den Augen der Welt.
    Während einer USA-Reise war er einmal in Florida gewesen und hatte sich auf französisch mit einer Frau unterhalten, in die er zu jener Zeit sehr verliebt war. Das Gespräch fand in einem Restaurant statt, und am Nebentisch saß ein älteres Paar, das ein Amerikanisch mit deutlich europäischem Akzent sprach. Aus ihrem Gespräch ging sehr schnell hervor, daß sie Juden waren.
    Die Frau hatte sich durch Siegfrieds Anwesenheit gestört gefühlt, da er »ein typischer Deutscher« sei, wie sie meinte. Wie sehr ihr Mann auch auf sie einredete - es half nichts. Er war sichtlich verlegen, daß sie so lautstark vom Leder zog. Er versuchte, sie mit dem Argument auf andere Gedanken zu bringen, daß die Leute am Nebentisch ja französisch sprächen, daß dieser Mann genausogut Nordfranzose oder Belgier oder Skandinavier sein könne. Seine Frau blieb unnachgiebig: Sie spüre, daß er Deutscher sei, »denn seine Augen sind so böse, daß nur ein Deutscher solche Augen haben kann«.
    Es sei einfach unmöglich, fuhr Siegfried Maack fort, der Vergangenheit zu entrinnen, die Welt sehe die bösen Augen in jedem deutschen Gesicht, und dagegen richteten weder Mozart, Goethe noch Mercedes-Benz etwas Entscheidendes aus. Und Mercedes-Qualität sei vielleicht sogar eher ein Nachteil, denn sie sei auch so ein Symbol der verfluchten deutschen Tüchtigkeit, die sich überall auf ihre Weise präsentiere: die DDR der Musterknabe im Osten, die Bundesrepublik im Westen. Am besten, die beiden getrennt zu halten, nicht wahr?
    Trotz Carls abfälliger Bemerkungen über den mangelhaften Umgang der deutschen Terroristen mit Waffen

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