Der demokratische Terrorist
seien diese trotzdem die besten ihrer Art. Auf jeden Fall hätten sie sich als die zählebigsten erwiesen, denn die italienischen Terroristen seien inzwischen entweder eingefangen worden oder erschossen, ohne daß die Welt auch nur das mindeste über Polizei-Brutalität habe verlauten lassen. Die französischen Terroristen hätten kaum mehr zustande gebracht als ein paar Banküberfälle und Morde, und ihre belgischen Kollegen müsse man wohl ähnlich sehen. Ausgenommen möglicherweise die Aktion gegen die Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg.
Strenggenommen müsse man diese Aktion jedoch als deutsches Unternehmen bewerten. Die Belgier hätten wohl nur die Resolution mitunterzeichnet.
»Deiner Ansicht nach muß dann ja auch der westdeutsche Sicherheitsdienst der beste sein, um diesen Amateur-Mördern jede Möglichkeit zu nehmen, die gesetzestreue Bevölkerung zu terrorisieren«, sagte Carl anzüglich, der die Diskussion nun doch beenden wollte.
Siegfried Maack hatte in einem sanften und nachdenklichen Tonfall erzählt, gegen Ende mit leichter Ironie. Er ging dankbar auf Carls Versuch ein, der Unterhaltung den Stachel zu nehmen.
»Natürlich, so ist es, du hast völlig recht«, fuhr Siegfried Maack fort, »für unsere verbleibenden Terroristenkader geht es jetzt unleugbar auf das Ende zu, nicht wahr? Immerhin haben wir jetzt schwedische Gewalt auf unserer Seite.«
»Aber ja. Die Chancen stehen natürlich eins zu hundert, daß wir sie mit deiner und meiner friedlichen Strategie erwischen, aber wenn ich alles richtig verstanden habe, geht es am Ende ja nur noch darum, nach gut demokratischer Manier die Gruppen Gelb und Blau auf sie zu hetzen. Wir können unsere Hände dann in Unschuld waschen. Du kennst das ja - wir haben nur Befehle befolgt. Habt ihr es schon früher mit dieser Unterwanderungsmethode versucht?«
»Ja, dreimal.«
»Aha. Und wie ist es gelaufen?«
Alle drei Versuche seien mißlungen. Siegfried Maack rückte seine Brille zurecht und bemühte sich, wieder sachlich zu werden.
Im Hinblick auf Carls besondere Fähigkeiten, begann er, wolle er der guten Ordnung halber von einem Bombenanschlag auf ein Gefängnisgebäude in Niedersachsen berichten.
Folgendes habe sich abgespielt: Zwei Terroristen der mittleren Kategorie saßen in diesem Gefängnis. In der Nacht des 25.Juli 1978 sprengte ein Kommando der GSG 9 ein Loch in die Gefängnismauer. Es sollte wie ein Befreiungsversuch aussehen, aber die Flucht wurde natürlich verhindert.
Der Presse gegenüber ließ man durchblicken, ein bestimmter, namentlich bekannter Bankräuber, der im gleichen Gefängnis sitze und jetzt Urlaub auf Ehrenwort habe, habe den Sprengsatz gezündet, um RAF-Terroristen zu befreien. Das Unternehmen war vom Verfassungsschutz inszeniert worden. Die GSG 9 hatte nur die Mauer gesprengt, vermutlich sogar ohne zu wissen warum, und nichts weiter mit der Angelegenheit zu tun.
Anschließend hatte sie sich schnell zurückgezogen. Der Verfassungsschutz hatte die politische Verantwortung für das Unternehmen jedoch der niedersächsischen Landesregierung zugeschoben - mit Einverständnis der Bundesregierung in Bonn.
Das Unternehmen geriet jedoch außer Kontrolle, denn der flüchtige Bankräuber, der sozusagen zur Flucht gezwungen worden war, wurde nervös, überlegte es sich und weigerte sich, den erwünschten Unterwanderungsversuch zu unternehmen.
Statt dessen ließ er sich von der Polizei festnehmen, verriet die ganze Geschichte, zwang den Verfassungsschutz, ihm eine Begnadigung und eine neue Identität zu verschaffen, und verkaufte die Story sogar an verschiedene Zeitungen, so daß der Vorgang publik wurde und zu einem politischen Skandal führte.
Es kam zu einer feierlichen Debatte über die Verteidigung der Demokratie gegen die Feinde des Landes, und so weiter. Das operative Ergebnis blieb vergleichsweise mager: Es wurden nur ein paar Mitläufer verpfiffen.
Das, so fuhr Maack fort, könne natürlich zu der Frage führen, ob ein entlarvter schwedischer Bankräuber im Dienst der Demokratie nicht auch zu einem Skandal führen könne, da es schon einen ähnlichen Zwischenfall gegeben habe. Die Bild-Zeitung werde die Sache wohl mit Freuden aufgreifen.
O ja, gewiß. Das Risiko aber, daß Carl loslaufen und seine Story an die Skandalpresse verkaufen würde, dürfe als wesentlich geringer einzustufen sein als bei einem echten Bankräuber, der mit der beflissenen Hilfe der GSG 9 Gefängnismauern sprenge.
Und wenn es Carl erst mal
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