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Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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es beurteilen konnte, handelte es sich um ganz gewöhnliche Morde mit Pistole oder Maschinenpistole aus nächster Nähe. Man hatte den Opfern meist durch den Kopf geschossen.
    Die Sprengstoffanschläge dagegen waren im Lauf der Jahre perfekter geworden, daran war nicht zu zweifeln. Neuerdings beherrschten die Terroristen immerhin schon die Technik von Zeitzündern. Ihre Versuche aber, Sprengladungen fernzuzünden, mal mit zu langem Zündkabel, mal mit einem Funksender, der nicht funktioniert hatte, waren vergleichsweise unbeholfen.
    Nach ein paar Stunden hatten die beiden Männer fast ein Viertel des Inhalts der Stahltaschen bewältigt. Von Zeit zu Zeit hatte Carl brummelnd etwas kommentiert, was vor ihm auf der glatten Tischplatte Revue passierte. Siegfried Maack hatte ihm die Akten in gleichmäßigem Tempo vorgelegt, ohne viel dazu zu sagen. Nur manchmal gab er geographische Erklärungen und äußerte sich über bekannte Täter, die immer noch auf freiem Fuß waren, über ihre Biographien und Besonderheiten. Die meisten Terroristen, die hier aktenkundig waren, da war sich Carl sicher, saßen wohl schon in dem weißen Hochsicherheitsbunker von Stammheim hinter Schloß und Riegel.
    Die beiden Männer unterbrachen ihre Arbeit und gingen in die Kantine. Sie brachten das Essen schnell hinter sich und sprachen kaum miteinander, da sie sich der neugierigen Ohren und der verstohlenen, fragenden Blicke um sie herum bewußt waren. Sie gingen wieder nach oben, und nach einer Stunde konnten sie schon den ersten Teil des Materials in den grünen Stahltaschen verstauen und den Tisch für die etwas komplizierteren Akten freimachen, in denen es um theoretische Fragen ging.
    »Wenn ich mal zusammenfassen darf«, sagte Carl, »sind eure Terroristen in technischer Hinsicht und beim Umgang mit Waffen erstaunlich amateurhaft. Sie verwenden Pistolen und automatische Waffen des Kalibers 9mm, wenn sie aus nächster Nähe schießen sollen, und stellen Sprengbomben eines Typs her, den sogar die Straßenjungs in Beirut besser bauen können.
    Das kommt mir merkwürdig vor. Ich kann es kaum begreifen.«
    »Machst du etwa bessere Bomben?« fragte Siegfried Maack. Er sah fast so aus, als hätte er Carls herabsetzendes Urteil persönlich genommen.
    »Ja, selbstredend, das wäre ja noch schöner, wenn ich daran denke, was die westliche Demokratie in meine Ausbildung investiert hat«, erwiderte Carl in einer Mischung aus leichter Entrüstung über die Frage und Erstaunen über den unerwartet beleidigten Tonfall seines Gesprächspartners.
    »Dann haben wir also schon hier einen klaren Vorteil. Du hast Kenntnisse auf diesem Gebiet, die den Terroristen sehr nützen könnten?«
    »Durchaus.«
    »Aber was ist so merkwürdig daran, daß sie dein Niveau nicht erreichen?«
    Carl beschloß, die Ironie zu überhören und sachlich zu antworten.
    »Nun, ich finde es merkwürdig, daß zwischen ihrer Fähigkeit, Bomben herzustellen, und ihrer Fähigkeit, sie an einem Tatort zu plazieren, eine solche Diskrepanz besteht. Das Verstecken von Sprengsätzen ist ja der schwierigste Teil solcher Anschläge, aber da sind sie einige Male richtig gut gewesen. Wenn ich etwa daran denke, wie sie ihre Autos auf das Gelände von NATO- Einrichtungen gefahren haben, ganz zu schweigen von diesem Trick mit dem Bierwagen, der in Hamburg einfach auf das Gelände dieser, wie heißt sie noch, Führerakademie… irgend was fuhr?«
    »Nein. Du meinst Führungsakademie der Bundeswehr.«
    Dieser Versprecher machte Carl mehr als verlegen. Das war eine wahrhaft Freudsche Fehlleistung. Führerakademie, ja, das wäre wirklich hübsch. Er suchte Blickkontakt mit Siegfried Maack, während er überlegte, wie er anfangen sollte. Es war ein Thema, das früher oder später zur Sprache kommen mußte. Siegfried Maack blickte demonstrativ zur Seite.
    »Ich habe ganz einfach Probleme mit Deutschland«, begann Carl mit verbissener Miene. Er zögerte, bevor er fortfuhr.
    Immerhin hatte er in den Augen des bisher unveränderlich kühlen und korrekten Siegfried Maack so etwas wie ein neugieriges Glitzern, aber kein feindseliges Interesse aufblitzen sehen.
    »Ich komme einfach nicht klar mit vielen Sachen hier, vielleicht nur, weil wir in Deutschland sind. Anderswo würde es mich nicht stören, daß die Züge pünktlich sind, ganz im Gegenteil, aber hier fällt mir sofort ein, wo diese so schrecklich pünktlichen Züge einmal hingefahren sind, vor gerade fünfzig Jahren.«
    »Ich zum Beispiel«, sagte

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