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Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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nicht erwarten können. Carl beschloß, die Verhandlung so kurz und unkompliziert wie möglich zu gestalten.
    »Ein Zimmer«, sagte er und zeigte auf einen der Schlüssel in den obersten Reihen.
    »Dreißig Mark für die halbe Nacht, sechzig für die ganze«, erwiderte die blonde Frau in Trainingshosen, als ginge es um ein Verhandlungsangebot.
    »Zwei oder drei Nächte«, sagte Carl.
    »Zahlen Sie im voraus«, sagte die Blondine.
    Carl zog zwei ungefaltete Einhundertmarkscheine aus der Brieftasche und legte sie auf den Tresen. Die Blondine starrte kurz auf die Geldscheine, dann zuckte sie die Achseln und begann in dem Gewühl unter dem Tresen nach etwas zu suchen, was sie offenbar nicht fand.
    »Sie sind Ausländer. Da müssen Sie ein besonderes Formular ausfüllen«, erklärte sie.
    »Stimmt, ich bin Schwede und heiße Karlsson. Könnten wir das aber nicht auch ohne Formular erledigen?« sagte Carl und blinzelte so vertraulich, wie er es unter den gegebenen Umständen fertigbringen konnte. Dabei legte er noch einen weiteren Hundertmarkschein auf den Tresen.
    Kurze Zeit später nahm er sein Zimmer in Augenschein, das Zimmer von Herrn Karlsson im dritten Stock. An der Wand ein Waschbecken. Es gab keine Handtücher, dafür aber eine Rolle Haushaltstücher. Das Bett war ein Metallbett mit durchgelegener Matratze und weißen Bettpfosten, von denen die Farbe abblätterte. Daneben waren zwei Stühle die einzigen Möbel im Zimmer. Die Bettwäsche war ohne Zweifel benutzt; auf dem tiefsten Punkt des Lakens entdeckte er drei oder vier gekräuselte schwarze Schamhaare. Er zog das Laken hoch, schüttelte es und öffnete die beiden quietschenden Holzfenster.
    Er fragte sich, ob und welche Geschlechtskrankheiten durch einen bloßen Kontakt mit dem Laken übertragen werden konnten, oder wie er sonst sein Verhältnis zu den früheren Bewohnern des Fickhotels charakterisieren sollte. Das Zimmer war ziemlich kalt und feucht. Er überlegte, ob er frische Laken und einen Elektroofen verlangen sollte, kam aber zu dem Schluß, sich nicht zu beschweren und notfalls selbst einen Elektroofen zu kaufen. Es war wichtiger, hier zu wohnen, als sich hier wohl zu fühlen. Er machte das Bett, zog den Bettüberwurf darüber und schloß die Fenster, die quietschend protestierten, stellte seine Tasche auf einem der beiden Stühle des Zimmers ab und legte sich voll angekleidet aufs Bett. Es ächzte und quietschte leicht unter seinem Gewicht. Er fragte sich, wie es sich mit zwei Personen verhalten würde, von denen überdies zu erwarten war, daß sie sich leidenschaftlich aufführten. Er schaukelte ein bißchen, und das Bett reagierte mit einem lauten Quietschen. Die Situation kam ihm plötzlich sehr komisch vor.
    Er lag still und betrachtete die feuchten Muster auf der abgeblätterten Deckentapete und ließ die Zeit verrinnen. Dann stand er auf und packte seine Toilettensachen aus, die er auf dem klapprigen kleinen Regal über dem Waschbecken unterbrachte.
    Er wusch sich mit kaltem Wasser, trocknete sich mit dem Haushaltspapier ab und überlegte, ob er sich rasieren sollte oder nicht. Er beschloß, sich zu rasieren; es würde ihn nicht weiterbringen, wenn er den Heruntergekommenen spielte.
    Das Zimmer bot nicht sonderlich viele Gelegenheiten, etwas zu verstecken. Beim Rasieren fragte er sich, was er verstecken sollte und was nicht. Wenn die Wasserstoffblondine oder sonst jemand in seinem Gepäck herumschnüffelte, während er außer Haus war, und das war mehr als wahrscheinlich, stellte sich die Frage, was er verstecken sollte - Waffen oder Geld. Er kam zu dem Schluß, daß es keinen Schaden anrichten würde, wenn sie in seinem Zimmer eine Waffe entdeckte. Es würde sie kaum erstaunen, einen kriminellen Gast im Haus zu haben. Wenn sie aber zuviel Geld fand, würde sie eher Anlaß haben, die Polizei zu rufen, in dem Glauben, daß ihr das 50000 steuerfreie D-Mark einbringen würde, das Kopfgeld für Terroristen. Er untersuchte den Rand des schmutzigen Korkteppichs, bis er eine Stelle fand, wo er ihn hochheben konnte. Dort stopfte er den größten Teil seiner Geldscheinbündel hinein. Er rasierte sich zu Ende, zog eines der geladenen Pistolenmagazine aus dem Campingbeutel und drückte es in den Kolben. Dann steckte er die Waffe an den gewohnten Platz zwischen Rücken und Hosenbund, zog sich einen Pullover an, hängte sich die Jacke über die Schulter und ging hinaus. Sein erstes Ziel war das italienische Restaurant Cuneo, das ganz in der Nähe seiner

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