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Der demokratische Terrorist

Der demokratische Terrorist

Titel: Der demokratische Terrorist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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sagte er, ich kann es wenigstens so einrichten, daß ich allen alten Genossen Hamburger umsonst gebe. Leute wie du können hier immer gratis essen. Dann holen wir uns wenigstens einen kleinen Teil zurück und schmälern außerdem ihren Gewinn. Ich sagte ihm zunächst, das sei eine rührend individualistische Handlungsweise, und er gab mir natürlich recht. Aber, fuhr er fort, was zum Teufel soll ich denn tun? Ich bin allein, ich kann nichts weiter machen, als Hamburger zu mopsen. Was sollte ich denn sonst tun können?
    Mein Einsatz ist zwar nicht sonderlich groß, das gebe ich zu, aber ich tue wenigstens etwas. Ich habe nicht resigniert, nicht aufgegeben, ich bin auch kein Sozi geworden. Ich habe auch nicht damit angefangen, Israel und den Zionismus direkt oder indirekt zu unterstützen, wie gewisse andere Genossen oder vielmehr ehemalige Genossen. Ich tue wenigstens etwas, und was tust du? wollte er von mir wissen. Ich überfalle Banken und verschenke das Geld an verschiedene Palästina-Komitees in der ganzen Welt, erwiderte ich im Scherz. Das imponierte meinem Freund Abdel Salaam Mahmoud ungeheuer. Das sei eine glänzend einfache und wirkungsvolle Methode, das Problem individueller Politik in Schweden zu lösen, und das ohne Hilfe der zerschlagenen Linken. Zwei Wochen später überfiel ich meine erste Bank. Wenn man nicht vorbestraft ist, ist es eine leichte Übung, dann finden sie einen nämlich nicht. Sie suchen immer unter ihren altbekannten Bankräubern.
    In Wahrheit sind es aber Leute wie ich - und übrigens auch Polizisten, die nur schwer zu fassen sind. Das war’s in groben Zügen. Meine Banküberfälle sind also kein Mittel zur Finanzierung von Einzelmorden wie eure Banküberfälle, sondern ein Ziel in sich, um Kapital von den Ausbeutern an die Ausgebeuteten zu transferieren. Ihr mögt diese Zielsetzung vielleicht nicht umfassend genug finden, aber das ist mir gleichgültig, da ich eure Ziele, welche sie auch sein mögen, etwa ein Krieg von fünf Mann gegen ganz Westeuropa, für wahnsinnig halte. So, ich gehe davon aus, daß jetzt alles geklärt ist.«
    Es wurde still im Raum. Sie hatten die Geschichte geschluckt. Abgesehen von dem Banküberfall besaß sie überdies den Vorzug der Wahrheit. Folglich war es Carl so leicht gefallen, sie zu erzählen, und folglich wirkte sie auch so überzeugend.
    Friederike Kunkel hatte jetzt zwei Möglichkeiten. Sie konnte Carl angreifen und die eigene Politik rechtfertigen. Sie konnte auch einen Rückzieher machen und sich praktischen Fragen zuwenden. Sie entschied sich für die zweite Möglichkeit.
    »Wie sehen deine weiteren Pläne in Hamburg aus?« fragte sie kurz.
    »Zwei weitere Banken. Ich habe meine Beobachtung der Objekte schon weitgehend abgeschlossen, aber da ich allein arbeite, muß ich immer sehr genau vorgehen, wie ihr vielleicht versteht. Bei einer bin ich noch nicht ganz zufrieden und bin mir meiner Sache nicht sicher. Vermutlich wird es nur eine Bank werden, und dann will ich Hamburg verlassen«, erwiderte Carl und sah dabei ziemlich verlegen aus. Der Köder, den er jetzt ausgeworfen hatte, war für sein Gefühl mindestens zehn Zentimenter zu lang. Aber Friederike biß sofort an.
    »Wenn wir es gemeinsam machen, beide Banken nehmen und das Geld teilen?« fragte sie kurz und geschäftsmäßig. Carl tat, als dächte er lange nach.
    »Natürlich ist es sicherer, wenn wir zu mehreren sind«, entgegnete er schließlich sehr langsam und machte eine neue Pause, bevor er fortfuhr. »Aber das setzt voraus, daß wir ganz nach meinen Plänen vorgehen, daß ich das Kommando übernehme und daß einer von euch ein erstklassiger Fahrer ist, denn in der Bank will ich selbst dabei sein, damit keiner von euch die Sache verpatzt… Nun ja, das könnte man sich überlegen. Ich meine, die Banken, die ich mir angesehen habe, sind für einen allein schon ziemlich sicher, und wenn wir zu mehreren sind, wird es fast zu einem Spaziergang. Aber trotzdem… ich weiß nicht… ich brauche auf jeden Fall Bedenkzeit…«
    Sie hatten ihn freundlich, aber bestimmt gebeten, in der Wohnung zu bleiben. Er hatte zunächst gescherzt, das sei ein wesentlich angenehmerer Aufenthaltsort, aber was wäre, wenn die Polizei käme? In die Hafenstraße würde sie ja aus bekannten Gründen nicht kommen dürfen, aber wenn sie hier ein paar Terroristen abholen wolle? Die deutsche Polizei neige ja zu gewissen Exzessen, wenn es um Terroristen gehe, und wenn er, Carl, sich jetzt in Gesellschaft von Leuten

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