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Der Derwisch und der Tod

Der Derwisch und der Tod

Titel: Der Derwisch und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meša Selimović
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von Zeit zu Zeit
besuchen, solange ich unterwegs bin."
    „Das schönste Geschenk, das Gott dir
machen konnte, ist dieser gute und kluge Mensch. Aber es tut ihm wohl ganz gut,
wenn er sich mal ein bißchen von dir ausruht, darum werden wir auch die
fünfzehn Tage kein Wort von dir reden."
    Und alle fünfzehn Tage sprachen wir
von ihm.
    Daß er nicht mehr da war, machte uns
beide ärmer. Wir hielten uns dafür an seinen Namen. Der alte Mann hatte es
schwerer, denn er beklagte jeden Tag, daß er den neu gewonnenen Sohn, der ihm
den Gedanken an den Tod vertrieben hatte, entbehren mußte. Sein Nörgeln war
Liebe, knurrige und herbe, aber es war auch ein Abwenden von dem nahen,
drohenden Schatten. Der schwarze Vogel zog über ihm seine Kreise. Jetzt wußte
er von ihm, und er fürchtete sich. Ob es ihm früher leichter war, ohne Liebe?
    Auch mich bekümmerte es, daß Hasan
fortgegangen war, denn er hatte mich an sich gewöhnt, und gerade jetzt brauchte
ich ihn.
    Mein Leben erreichte hier einen
Wendepunkt, das Gewesene schied sich von dem Künftigen, aber ich wußte nicht,
was das sein würde. Ich wartete im Hinterhalt wie ein Jäger, aufmerksam und
geduldig, doch ich war nicht sicher, ob man nicht auch mir einen Hinterhalt
bereitete, ob nicht auch ich auf der Strecke bleiben würde. Der Gefährte neben
mir hätte mir das Grauen vor dem unhörbaren Schritt gestillt, mit dem das
Schicksal mich führte. Ängstliches Bangen lag in dieser Wahrnehmung des
Dunkels, in der Ahnung des Geheimnisses hinter allem, was ich nicht sah, eines
Geheimnisses, das sich mir enthüllen würde, aber es lag auch stiller Triumph
darin, weil das geschehen würde, was ich erwartete, weil ich auserwählt war,
Vollstrecker eines Willens zu sein, der stärker war als der meine. Aber ich bin
nicht nur Waffe, auch keine von fremder Kraft gelenkte Hand, bin weder Stein
noch Baum; ich bin ein Mensch, und manchmal fürchte ich, daß meine Seele schwächer
sein könnte als der Wunsch oder daß der mächtig erstarkte Haß die Hülle meines
Ichs sprengt wie der reifende Same die Hülle, in der er gewachsen ist. Mit
Hasan könnte ich ruhig warten, mit Hasan könnte ich ruhig zur Tat reifen, damit
über der Stadt eine grüne Fahne weht und nicht ein grünes Leichentuch über mir
liegt.
    Wir warteten darauf, daß der einzige
Mensch, an dem uns alles lag, zurückkehre. Der alte Mann verheimlichte nicht,
daß er voll Unruhe war. Er zog schimpfend über den Sohn her, tat so, als hätte
er von dem alten groben Herrschaftsanspruch noch nichts aufgegeben, aber diese
ungeschickt verhüllte Zärtlichkeit wandelte sich bald in ohnmächtiges Jammern.
    „Der Teufel hat ihn fortgeweht –
mit der Dubrovnikerin. An der liegt ihm mehr als am eigenen Vater. Wenn
wenigstens was an ihr wäre! Aber die hat doch kein Lot ordentliches Fleisch.
Na, meinetwegen, mag er ihr durch die weite Welt nachlaufen, ihren öligen Augen
nach, wenn er ein Narr ist. Fünfzehn Tage, mein Unglückssohn! Da kann Regen vom
Himmel stürzen, da kann Eiswind von den
Bergen wehn, da können Hajduken über sie herfallen. Nichts hilft es, einem
Narren zuzureden. Bleib du, Vater, hier in deiner Ecke sitzen, an die Wand
gelehnt wie ein Tschibuk, und warte! Macht nichts, daß es dich eiskalt
überläuft, wenn du hörst, wie unten die Tür aufgeht und jemand hastig die
Treppe heraufläuft, macht nichts, daß du aus kurzem Schlaf auffährst, weil
schwarze Bilder und böse Ahnungen dich quälen. Ein Jahr meines Lebens wird es
mich kosten, wenn ich's schon jetzt überlebe. Und dabei hat er versprochen,
daß er nie mehr fortgehen wird, hat's versprochen und nicht gehalten. Ja, setz
ihn nur in die Welt, damit du Kummer und Sorgen mit ihm hast. Ach, Gott verzeih
mir's, was schwatz ich da."
    Fazlija bot ihm an, Freunde zu
holen, die mit ihm Tavla spielen oder plaudern könnten, er wollte einen Hengst
auf den Hof führen, unter die Fenster, er fragte, ob er in die Berge
hinaufgehen und Quellwasser bringen solle, das das Blut reinigt und stärkt.
Der Alte wies alles ab und verlangte nur, daß man ihm Kissen auf die Bank am
Fenster legen solle, und dann blickte er nach dem Hoftor, als ob Hasan früher
kommen könne, oder weil es ihm hier leichter fiel, sich seine Rückkehr
auszumalen.
    Wie kommt es, daß er so viele Jahre
ohne den Sohn verbracht hat? fragte ich mich, überrascht von dieser Liebe und
von dem Kummer um die Trennung. Und mir fiel eine seltsame Erklärung ein, die
Hasan gegeben hatte: Gerade ihr

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