Der Derwisch und der Tod
sprachen
seine Sprache. Nie hatte eine menschliche Sprache in seinen Ohren schöner
geklungen, nie war ihm etwas Lieberes begegnet als diese schlanke Frau von vornehmer
Haltung und der dicke Dubrovniker Kaufmann.
Schon monatelang verrichtete Hasan
keine Arbeit mehr, er war arg mitgenommen von der Untätigkeit und der
Sinnlosigkeit seines Umherstreifens in der großen Stadt, der Vater aber
schickte freigiebig Geld, stolz darauf, daß sein Sohn im Staatsdienst stand.
Und während der Dubrovniker seine geschäftlichen Angelegenheiten besorgte,
begleitete Hasan dessen Frau zu den schönsten Stätten Stambuls, lauschte der
schönsten Sprache aus dem schönsten Mund, vergaß sein lächerliches quälerisches
Grübeln, und es hatte den Anschein, als trachte auch die Frau keineswegs
danach, ihm zu entkommen. Was die feinfühlige Dubrovniker Dame, die von Mönchen
erzogen worden war, am meisten zu diesem jungen Bosnier hinzog, war nicht, daß
er stattlich aussah, sich zu benehmen wußte, gebildet war, sondern daß ihm all
das eigen und daß er zugleich Bosnier war. Sie hatte sich vorgestellt, daß die
Menschen aus jenen fernen Provinzen grob, beschränkt, ungezähmt, störrisch
seien, daß es bei ihnen freilich Heldentum gebe – aber ein vernünftiger Mensch
schätzt das nicht sonderlich, auch nicht immer – und daß sie einen
lächerlichen Stolz bekundeten, weil sie denen treue Dienste leisteten, die gar
nicht ihre Freunde waren. Dieser junge Mann aber war weder grob noch ungezähmt, noch ungebildet, in seiner Haltung
war er jedem Dubrovniker Edelmann durchaus ebenbürtig, er war ein angenehmer
Gesprächspartner, ein nützlicher Begleiter, er war von ihr begeistert (das hob
den Wert aller seiner Eigenschaften), und er blieb so zurückhaltend, daß sie
oft zu Hause zweifelnd in den Spiegel blickte. Sie dachte gar nicht an Liebe,
aber sie war daran gewöhnt, daß man ihr den Hof machte. Sie hatte mit Bangen
und Unbehagen darauf gewartet, da es aber ausblieb, war sie erstaunt und begann
ihn mit größerer Aufmerksamkeit anzusehen. Hasan, ganz jung und rechtschaffen,
verstand sich nicht auf die leichte Rede, die weder ihn noch die Frau zu etwas
verpflichtet hätte, und auch er dachte nicht an Liebe, ihm genügte die
schwärmerische Freude über diese Begegnung. Aber die Liebe dachte an ihn: bald
war er verliebt. So wie er sich das vor sich selbst enthüllte, verhüllte er es
vor ihr und war sorgsam darauf bedacht, sich auch mit dem Blick nicht zu
verraten. Die Frau aber bemerkte es sofort, als in seinen Augen scheue
Flämmchen aufflackerten (sie mußte zugeben, es waren schöne Augen), und sie
schützte sich mit betonter Freundschaft, indem sie ohne Rückhalt, wie eine
Schwester zu ihm war. Hasan versank immer tiefer in der Liebe, oder er stieg
auf ihrer Woge immer höher empor, keiner brauchte sich darüber zu wundern, denn
sie war schön (ich sage es beiläufig, weil es in der Liebe nicht sehr darauf ankommt),
sie war sanft und anmutig, und, darauf kommt es in der Liebe an, sie war das
erste Geschöpf, das seine innere Unrast vertreiben konnte und ihn davon
überzeugte, daß es Dinge gibt, die ein junger Mann nicht ungestraft vergessen
darf.
Er half dem Dubrovniker bei einem
Bosnier, dem Sohn des Goldschmieds Sinanudin, die Angelegenheit,
derentwegen er gekommen war, schnell zu erledigen: die Erlaubnis und das
Privileg für den Handel mit Bosnien zu bekommen. Damit erwarb er sich seine
Freundschaft, aber er verkürzte zugleich ihren Aufenthalt, war glücklich über
sein Vertrauen, durch das ihm gleichsam die Sünde der Liebe verziehen wurde,
und unglücklich über die nahe bevorstehende Trennung, die ihn in schlimmerer
Pein als vorher zurücklassen würde. Und ob der Dubrovniker einfach Vertrauen
hatte oder ob er Hasan mit dem Vertrauen die Hände band, weil er die Menschen
kannte, ob er sich so sehr auf seine Frau verließ oder ob er keine Phantasie
hatte oder ob ihm alles gleichgültig war, das lässt sich schwer sagen, aber er
ist auch keine wichtige Person in dieser lächerlichen Liebe. Ich sage
„lächerlich" und sage „Liebe", denn sie war das eine wie das andere.
Verschreckt oder auch ermutigt angesichts dessen, daß sie bald weggehen würde,
sagte Hasan zu Marija (das war ihr Name, bei uns hieße sie Mejrema), daß er sie
liebe. Geschah es nun wegen ihrer Blässe, obgleich sie nur gehört hatte, was
sie schon wußte, oder wegen seiner eigenen Naivität – Hasan sprach das aus,
was zu sagen einem klugen und
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