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Der Derwisch und der Tod

Der Derwisch und der Tod

Titel: Der Derwisch und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meša Selimović
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Muskeln.
    Der ältere Knecht schob sich,
geduckt, den Kopf in die breiten Schultern eingezogen, seitlich an das Tier
heran, er versuchte gar nicht erst, es mit der Stimme oder der Art seiner
Bewegung zu beruhigen, er beließ es dabei, daß sie Feinde seien, und sprang
plötzlich hoch, versuchte, auf seine Kraft sich verlassend, den Hals und die
Mähne zu fassen. Das Pferd stand anscheinend ruhig, dann, blitzschnell, fuhr
es herum, drehte sich, der Mann aber schien das erwartet zu haben, er wich
zurück und versuchte es von der anderen Seite, griff wieder nach der langen
Mähne. Das Pferd stand überrascht still, dann begann es ihn fortzuzerren, in
dem Bestreben, sich zu befreien, doch die Umklammerung war fest, die starken
Hände ließen den schlanken Hals nicht los. Es sah aus, als bekomme er das Tier
in seine Gewalt, es glich einem Wunder, daß Menschenkraft dieses Bündel gespannter
Muskeln bezähmen könnte, sie standen wie angewurzelt, schienen erschöpft,
schienen nicht mehr auseinander zu können, schienen nicht zu wissen, was weiter
geschehen solle. Und dann schleuderte das Tier mit einem überraschenden Ruck
den Mann weit von sich.
    Dasselbe widerfuhr dem Jüngeren. Er
näherte sich dem Pferd vorsichtiger, listiger, versuchte es mit offener
Handfläche zu täuschen, sogar mit freundlichem Gesicht, auf dem ein sinnloses Lächeln
spielte, doch als er in Reichweite gekommen war, drehte sich das Pferd und warf
mit seinem Körper den Mann zur Seite.
    Hasan rief ihm ein häßliches Wort
zu, der Jüngere lächelte, der Ältere verwünschte das bockige Aas.
    „Bist selber ein Aas", entgegnete
ihm Hasan.
    Ich beobachtete, wie er diesen Kampf
ruhig verfolgte, wie ein Ringen, wie einen Zweikampf, es schien ihm nicht
darauf anzukommen, daß sie das Pferd faßten, wenngleich der Hufschmied
diesseits des Zaunes wartete, so wie ich, sondern er wollte wohl sehen, wie
sie es versuchten und nicht schafften. Er half ihnen nicht mit seinem Rat und
gab kein Zeichen, das gefährliche Spiel zu unterbrechen. Mich aber verwunderte
mehr noch sein ganz ungewohnter Ernst, er schien sogar finster, unzufrieden, und
ich sagte mir, dies sei er wohl nicht wegen des Ungeschicks der Knechte. Seltsam
war auch, daß er das gar zu lange dauern ließ, es sah nach einer ganz unnötigen
Härte aus, die vielleicht zwischen ihnen etwas Gewohntes war, mir aber völlig
sinnlos schien. Dieses Verhalten änderte auch das Bild, das ich mir von ihm
gemacht hatte. Er war nicht sanft und heiter, wie ich mir das vorgestellt
hatte, oder er war es nur unter seinesgleichen, und mit den Knechten ging er um
wie jeder andere. Auch als er mich bemerkt und kurz begrüßt hatte, veränderte
er sich nicht, er kürzte nicht die Qualen der Knechte ab, sie wiederum
begehrten nicht dagegen auf.
    Zum Glück traf das Pferd den älteren
Knecht am Oberschenkel, und der versetzte ihm dafür voll Wut einen
schrecklichen Stoß in die Rippen.
    „Du bist gerade so verrückt wie das
Pferd! Raus mit euch!" schrie Hasan, und der Mann hinkte wortlos aus dem
Bereich des Tieres.
    Hasan wartete, bis die beiden
abseits am Zaune standen, dann schritt er langsam auf das Pferd zu, er umging
es in großem Bogen, näherte sich ihm von vorn, änderte immer wieder seine Lage,
ohne Hast, ohne aufgeregte Bewegungen, ohne den Versuch, das Tier zu täuschen,
bis das Pferd schließlich still blieb, durch etwas beruhigt, vielleicht durch
Hasans ganz gleichmäßige Bewegungen, vielleicht durch seine leisen, gemurmelten
Worte, die sich anhörten wie ein unablässiges Plätschern, vielleicht durch
seinen beharrlichen Blick oder auch dadurch, daß er keine Angst und keinen Zorn
zeigte. Das Tier ließ es zu, daß der Mensch herantrat, es schien noch
mißtrauisch, schnaubte aus seinen breiten Nüstern, aber Hasan stand schon neben
ihm und streckte, es ständig mit leisem Murmeln beruhigend, die Hand zur Stirn
des Tieres aus, begann sie zu streicheln, und wieder ohne Hast, ohne Ungeduld,
als merkte er nicht das ablehnende Kopfschütteln des Pferdes, strich er langsam
mit der Handfläche abwärts, zum Maul, dann wieder zur Stirn, zum Hals,
schließlich faßte er es an der Mähne und führte es zum Zaun.
    „Hier", sagte er zu den Knechten,
„jetzt werdet ihr's wohl schaffen." Und er trat zu mir.
    „Hast du lang gewartet? Ich freue
mich, daß du gekommen bist. Gehn wir ins Haus."
    „Du bist heute nicht gut
aufgelegt."
    „Manchmal war es schon
schlimmer."
    „Vielleicht ist es besser, ich gehe,
wenn ich

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