Der Diamant des Salomon
angelegten Facetten.
Einer s ein e r Vorfahren h atte d i esen S t ein geschliffen! Im unteren Teil des Steins entdec k te H arry k l ei n e, sorgfältig eingeschliffene Furchen. Die hatte ein anderer von Harrys Vorfahren g e m acht, als er den Diamanten in d i e Tiara von Papst Gregor gefaßt hatte.
19. Die Kanonengießerei
Jedes Mal, wenn Isaak Hadas Vitallo zum Palast des Dogen ging, gab er dort seinen vollen Namen an, und jedes Mal mußte er hören, wie er dem Dogen als der »jüdische Juwelier aus dem Dorf Treviso« angekündigt wurde. Im Palast roch es nach feuchtem Stein und menschlichen Ausdünstungen, die starke Parfüms und dick aufgetragener Puder nicht vollständig überdecken konnten.
Vitallo dre h te es je d es M a l, wenn diese »Düfte« über ihm zusammenschlugen, fast den Magen um.
Der Doge hörte ihn mit warmem Lächeln und kalten Augen an. »Du ziehst Vorteil aus Unserer Gutmütigkeit«, sagte er, als rede er mit einem dummen Kind. »Wegen Unserer grenzenlosen Güte bist du von der Pflicht, den gelben Hut z u tragen, befreit. Du darfst mit dei n er Familie sogar wie ein Christ in einem schönen Haus wohnen und mußt nicht zu deinesgleichen in den Gietto ziehen. Aber das alles ist dir nicht genug. Immer wieder kommst du zu mir und belästigst mich wegen irgendwelcher toter Juden.«
»Unsere Begräbnisprozessionen werden auf dem Weg vom Gietto zu unserem Friedhof auf dem Lido immer wieder angegriffen, Euer Gnaden«, protestierte Isaak. »Seit per Gesetz bei Sonnenunte r gang die drei Tore des Gietto geschlossen werden müssen und erst wieder geöffnet werden dürfen, wenn vom Campanile von San Marco die Morgenglocken läuten, können wir unsere Toten auch nicht mehr in der Dunkelheit begraben. Wir brauchen den Schutz Eurer Soldaten.«
»Nichts leichter als das«, sagte der Doge. »Wende dich an mich, sobald wieder einer von euch stirbt.«
»Wir würden es nicht wagen, Euch so häufig zu belästigen«, sagte Isaak. Die beiden Männer wußten, daß bei einem solchen Arrangement jedes Mal, wenn ein Jude starb, massive Bestechungsgelder zu bezahlen w ären.
»Am besten wäre es doch, wenn Ihr einfach B efehl gäbet, daß fortan jedes Begräbnis be w acht werden muß. Ist dem nicht so, Euer Gnaden?«
»Hmm.« Der Doge musterte Isaak. »Ich habe mir sagen lassen, daß einem Mann, der e i nen Hyazinth- R ing trägt, weder Pest noch Fieber etwas anhaben können. Ist dir das bekannt, Juwelier?«
Isaac unterdrückte einen erleichterten Seufzer. »Ja, davon habe ich schon gehört. Und ich weiß auch, wo ich einen schönen Hyazinth herbekommen kann. Ich werde ihn für Euch in einen Ring fassen.«
»Wenn das dein Wunsch ist«, sagte der Doge gleichgültig. »Auf jeden Fall denke ich, daß du dir in Zukunft noch häufiger Sorgen über die Begräbnisse auf dem Lido machen werden wirst. Die Condotta läuft am E nde dieses Jahres aus.«
»Euer Gnaden?« Die Condotta w ar der Vertrag, mit dem es den Juden gestattet wurde, in Venedig zu leben. Mehrere Jahrhunderte lang war er in regelmäßigen Zeitabständen erneuert worden, und vor jeder Erneuerung hatten sich die Behörden geziert und mit nicht geringen Summen bestechen lassen. »Aber es wird doch keine Probleme mit der Erneuerung der Condotta geben?«
»Die Kirche hat Simon v on Trient h e ilig g esproc h en.«
Isaak starrte den Dogen ungläubig an.
»An seinem Grab haben sich drei Wunder ereignet. Ein Tauber, ein Blinder und ein Gelähmter sind geheilt, und Tote sind wieder zum Leben erweckt worden. Der Knabe ist jet z t der heilige Sim o n.«
Vor mehr als hundert Jahren hatte ein antisemitisch eifernder Pri e ster in T r i e nt, einer Stadt an der deutschen Grenze nördlich von V enedig, eine Fastenpredigt gehalten, in der er den Bauern eingeredet hatte, die Juden würden Ritualmorde begehen. Sie s ollten in de r Zeit vor dem jüdischen Osterfest ganz besonders auf ihre Kinder achtgeben.
Am Gründonnerstag war dann ein knapp zweieinhalbjähriges K i nd namens Simon verschwunden. Trotz schleunigst durchgeführter Hausdurchsuchungen, blieb der Junge verschwunden, bis am Ostermontag schließlich ein paar zu Tode erschrockene Ju de n seine kleine Leiche im Fluß treiben sahen. Daraufhin wurden jüdische Männer, Frauen und Kinder so lange gefoltert, bis einige von ihnen unter Schmerzen herausbrüllten, man habe den Jungen getötet, damit man sein Blut beim Osterritual verwenden konnte. E i ne aufgebrachte Menge zerrte die Führer der jüdischen
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