Der Diamant des Salomon
Boden etwas mehr Feuchtigkeit speicherte.
I m Frühjah r triebe n dan n di e Weins t öck e grün e Ranken un d zoge n di e Mineralie n au s d e r dünne n E r dsch i ch t voll e r Schale n vorzeitliche r Landmollusken , Tierknochen , römische r Metallstück e un d unzählig e r Chitinpanze r vo n G e neratione n vo n Insekten . Un d irgendwi e ga b e s i m Herbst dan n au f g e heimni s voll e Weis e dick e , schwer e , fas t schwarz e Trauben , di e aussah e n , w i e mi t e ine m Hau c h vo n Blau bestäub t , un d di e bi s zu m Pla t ze n mi t süß e m , moschusartig duftende m Sa ß gefüll t ware n – da s einzig e B lut , dachte I saa k gr i m mig , da s si e b e i ihre r Oste r feie r benötigten.
Elia winkte seinem Vater zu und zügelte die Ochsen. Er lächelte ni c ht oft, und es t a t Isaak leid, daß das, was er ihm zu be ri chten h a tte, ihm im Nu die Schwe r mut in s e in Gesicht zur ü ckbringen w ürde.
»Das ist mir egal«, sagte Elia zu Isaaks Erstaunen, nachdem dieser ihm v o n seinem u n erfre u lic h en Gespräch mit dem Dogen berichtet hatte. »Ich möchte sowieso fort von hier, in ein Land, wo ich meinen eigenen Grund und Boden besitzen darf.«
»So ein Land gibt es nicht. H i er geht es uns immer noch besser als überall anders. Hier bin ich immerhin der Juwelier des Dogen.«
»Hast du etwas Geld?«
»Warum?«
»Es muß doch einen Staat geben, wo …«
»Nein. Und selbst wenn es einen gäbe? Was wäre dann mit den anderen, denen im Giett o ? Die meisten von ihnen haben wenig oder nichts.«
Aber der Junge ließ n i cht l o cker. »Wir kön n ten doch nach Osten gehen.«
»Da war ich schon. Es ist die reinste Hölle, seit die Türken dort sind.«
»Ich meine noch weiter nach Osten.«
Isaak verzog das Gesicht. Auf den Spuren Marco Polos zu wandeln war einer von Elias Kinderträumen gewesen, aber jetzt war sein Sohn doch schon fast ein Mann. »Es ist dreihundert Jahre her, seit die Polos in Cathay waren«, sagte er barsch. »Wenn heute jemand aus dem Westen sich dorthin wa g t , wird er ge töt e t, gleichgültig, ob er ein Jude oder ein Christ ist. Du mußt dich schon mit dem bescheiden, was wir haben.« Isaak wechselte das Thema. »Haben wir eigentlich einen Hyazinth auf Lager?«
Elia blickte zur Seite. »Das weiß ich nicht.«
»Aber es ist deine Aufgabe, das zu wissen«, sagte sein Vater. »Im Dreck her u mzubuddeln und die Felder umzugraben ist ein Freizeitve r gnügen, aber die Edelsteine sind dein G eschäft. Ich brauche einen Hyazinth für den Dogen. Schau nach, ob wir einen haben, und teile es mir sofort mit.«
Während Isaak vor den Ochsen her nach Hause ritt, bedauerte er es, daß er seinen Sohn so angefahren hatte.
Er wünschte, er könnte den Jungen wie früher an seine Brust ziehen und ihm sagen, wie sehr er ihn liebte. Elia hatte es nie leicht gehabt. Kurz nach seiner G eburt war Isaak von Venedig aus zu seiner ersten langen Reise aufgebrochen. Auf der Suche nach Diamanten hatte er damals die gesamte Levante bereist – Konstantinopel, Damaskus, Kairo, Jerusalem – und war mit ein paar der schönsten St eine zurückgekehrt, d i e man in Venedig je gesehen hatte. Diese Juwelen hatten es ihm schließlich ermöglicht, mit dem Segen des Dogen der qualvollen Enge im Gietto de n Rücken zu kehren und hinaus aufs Land zu ziehen, aber um sie zu erwerben, hatte er mehr als vier Jahre in der Fremde verbringen m üssen. Als er zurückkam, war das Mädchen, das er geheiratet hatte, zu einer Frau geworden, die ihm wie eine Fremde vorkam, und noch Wochen nach seiner Heimkehr stieß sein Sohn jedesmal, wenn er ihn erblickte, ei n en ängstlic h en Schrei aus.
Nach dieser ersten Reise unternahm Isaak nur noch zwei längere Fahrten, auf denen er allerdings höchstens achtzehn Monate hintereinander von zu Hause wegblieb. E r bekam noch drei weitere Söhne und zwei Töchter, Fioretta, Falcone, Meshullam, Leone und die kleine HayaRachel, alle altersmäßig so nahe beisammen, daß sie einander als Spielgefährten hatten. V on all seinen Kindern war nur Elia, der Älteste, praktisch allein aufgewachsen.
Elia hatte nur die beiden Ochsen, das ärmliche, gepachtete Land und seine wilden Träume.
Aber waren seine Träume wirklich s o wild? Mitten in der Nacht mußte Isaak der Tatsache ins Auge blicken, daß es völlig gleic h gültig war, ob er nun – wie sein Sohn – freiwillig fo r t g e hen wollte o der nic h t. Der Befe h l d e s Dogen zwang die Juden in jedem Fall, die
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