Der Diamant des Salomon
Harry so gesch m eichelt gewesen, daß er so f ort e i nwilligte, s chlie ß lich hatte m an auf der Sons of the Covenant Orthodox High School schon viel vom ehrfurcht g e b ieten d en Reb Yitzhak Netscher gehört, einem der geistigen Führer der Chassidim und d e m D i rektor der Torat Mosc h e Jeschiwa, einer der angesehensten religiösen Akad e m ien in der neuen W elt.
Und während seine Mitschüler nach A m herst oder Harvard oder auf die New York State University gingen, wurde aus Harry ein Scholastiker, der jeden Morgen, außer am Sabbat, in seinem dunklen Anzug mit der U-Bahn von der Park Avenue nach Brooklyn fuhr. In einem Ziegelgebäude m it knarzenden Dielen saß er zusam m en m it Max Bronstein und vier anderen Novizen bei den Gelehrten und Weisen und führte endlose Diskussionen und Auseinandersetzungen über den Tal m ud und die rabbinische Lite r atur.
Es war ei n e selt s a m e Welt v o ller Mühen um die Gelehrsa m keit, eine Schule, auf der selbst die besten S t udenten kein Abschlußzeugnis erhielten. Manche der Männer dort studierten bereits fünfzehn J a hre lang an denselben verkratzten Eichenti s chen, nic h t, um Wohlstand oder Ehre, sondern, um die Liebe Gottes zu erlangen. Andere, die auf der Flucht vor den Nazis von Litauen nach Brownsville gekommen waren, hatten sie sogar noch länger besucht. Reb Yitzhak hatte das R echt der s m icha, konnte also andere zum Rabbi ernennen, aber er tat das nur, wenn extre m e A r m ut einen Mann zwang, seine mystische Versenkung für die rabbinische Arbeit aufzugeben, oder wenn der Studieneifer des Betreffenden nicht ganz m akellos war.
D a m als war Bronstein dürr und blaß gewesen, m it denselben Au g en, die El Greco seinem Christus gegeben hatte. Nach sechs Monaten und einer Menge Kaffee aus der Cafeteria hatten er und Harry sich gegenseitig davon überzeugt, daß Gott, ebenso wie W h isky und Krieg, eine Erfindung des Menschen war. Verwirrt und voller Angst vor seiner eigenen Courage hatte Harry schließlich die Torat Moshe Jeschiwa verlassen und in der W erkstatt seines Vaters Di a m anten geschli ff en, bevor er das nächste Se m ester an der Columbia University begann.
Fa m i lientraditio n hi n ode r h e r , A l fre d hatt e ni e versuc h t , H a rr y in s Dia m a n teng e schäf t z u ziehen . A l s er ab e r a u s e i ge n e m Ant r i e b k a m , wa r ih m s e i n Vat e r e i n s o rgf ä ltig e r Le h r e r . Obwoh l Ha rr y bi s z u d i ese r Zei t bereit s sel bs t viele s au f ge s chnapp t hatte , began n A l fred gan z vo n vor n un d zeigt e i h m eine n geschlif f e ne n Diam a n te n al s L e h r s t ü c k.
»Jede di e ser kleinen E b enen, jede s org f ältig p o lie r te Oberfläche d es Stei n es nennt m an eine Facette. Die achtec k ige Facette oben auf ein e m runden Stein heißt Tafel. Das Unterteil eines Bril l anten ist die Kalette, und die Außenseiten eines bearbeiteten Steins – das, was bei einer Frau die Hüften sind – nennt m an die Rondiste …«
»Ja, Pa.«
Bronstein, dessen Vater den G l auben enger auslegte als der von Harry, m ußte, um vor den stür m i schen Auseinandersetzungen in seiner Fa m ilie einiger m aßen sicher zu sein, bis auf die Uni v er s ity o f Chic a go fliehen. Obwohl er sich dort sein Studium selbst verdienen m ußte – ironi scherwe i s e durc h Arbei t i n ein e m ko s chere n Schl a chtho f –, schaffte er in nur zweieinhalb Jahren einen Abschluß in Linguistik, und dann brauchte er, der verrückte Max Bronstein, d i e näch s t en acht Jahre für seine Pro m otion. Bis dahin hatte ihm ei n nic h t a b reißen d er S t rom von gleichbleibend gescheiten Aufsätzen einen soliden wissenschaftlichen Ruf und einen Job beim Hebrew Union College ei n gebrac h t, den er m it de m selben Gleich m ut annah m , den e r auch gezeigt hät t e, wenn es sich b ei seinem Arbeitgeber um eine Jesuitenoder Buddhistenschule gehandelt hätte. Und so bekam das College gleichzeitig m i t dem besten Spezialisten für linguistische Geografie in A m erika einen waschechten Atheisten in sei n e Reihen, was wiederum ein Bew e is für die liberale Einstellung dieser In s t ituti o n war.
»Da bist du ja«, sagte Max, als w ä re Harry e b en m al für zwanzig Minuten weggewesen. Sein Händedruck war kräftig. Er hatte Gewicht zugelegt und sich einen Schnurrbart wachsen lassen. » H arry, Harry.«
»Ist lange her.«
»Verdam m t lange.«
» W ie geht’s dir, Maxie ? «
»Das Leben ist erträglich. Und
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