Der Diamant des Salomon
ann z u sein. W enn es wichtig e r i s t, ein Gelehrter zu sein, d ann werden Sie zum Gelehrten.«
Harry vers p ürte auf ei n m al einen mächti g en Groll ge ge n den Isr a eli, vielleic h t , weil dessen E i nschätzung allzusehr der W ahrheit entsprach. »Im Mo m ent habe ich ein zie m lich klares Bild davon, was für m i ch wichtig ist und was nicht.«
Akiva seufzte. Er holte eine Visite n karte aus der Tasc h e und legte sie auf Essies polierten Eßtisch.
»Rufen Sie m i ch so bald w i e m öglich an«, sagte er. »Bitte!«
Im Test a m e nt wurde Essie großzügig bedacht, alles andere erbte Harry. Er brachte es nicht übers Herz, die Kleidung seines Vaters nach etwas Tragbarem für sich s elbst durc h zusehen. So behielt er sich lediglich eine Krawatte zur Erinnerung, den Rest gab er der Heilsar m ee, die nun eine Zeitlang ein paar außergewöhnlich gutgekleidete Schützlinge haben würde. Alfreds Briefe und persönliche Papiere packte Harry in zwei Pappkartons, die er m it einer Schnur zuband. Das Vaseline- T öpfchen steckte er in eine Papiertüte, dann rief er einen Kurier und ließ die Tüte m itsa m t Töpfchen in seinen Tresorraum bringen.
Am Abend des vierten Tages füllte sich die W ohnung m it Essies Freunden, verschru m pelten Großvätern m it Augen voller Trauer und g e hbehinderten alten Fr auen.
»Ich m uß hier raus«, sa g t e Harry zu Della.
Essie folgte ihnen zur T ü r und war wütend, w eil ihrer Meinung nach Harry durch sein Gehen das Andenken seines Vat e rs belei d igte. » W ir m üssen noch über das Sil b er reden, über das Geschirr …«
»Es gehört alles dir.«
»Sei nicht so großzügig. W as soll ich da m it? Ich ziehe zu m einer Schwester n ach Florida. In eine k l eine W ohnung.«
»Ich komme m orgen wieder vorbei«, sagte Della, »und küm m ere m i ch um alles.«
Essie sah Harry an. »Sitzt du deine schiwe daheim zu Ende ? «
Er nickte.
»Und du gehst jeden Tag in die Synagoge? Oder m achst den minjan im Di a m anten-Klub m it? Und du betest ein Jahr lang den Kaddisch?«
»Ja«, log Harry, der allem zugest i m m t hätte, wenn er nur dem Hauch des Todes in dieser W o hnung entrinnen konnte.
Mit einem Taxi fuhren sie zu Dellas Wohnung und gingen ins Bett. H a stig, wie F r ischverlie b t e.
»Du verdam m t er Kerl«, keuchte sie. Mit seinem Orgasmus ka m en in Harry s ä m tliche Ge f ühle hoch, u nd er s ank in Dellas Ar m en zus a m m en.
»Harry. Harry.« Sie drückte ihn so lange an sich, bis er aufhörte zu weinen. Dann lagen sie stumm nebeneinander. Ein m al blickte Harry D ella an, sah, was in ihrem Gesicht war, und haßte sich dafür. Er war es leid, ihr weh zu tun.
Als sie ei n schliefen, lag seine H and zwisc h en i h ren Schenkeln, so, wie er wußte, daß sie es m ochte. Ein paar Stunden später wachte er auf und be m erkte, daß seine Hand bis zum Gelenk taub war. Aber wenn er sie weggezogen hätte, hätte er Della aufgeweckt.
Schlie ß lich tat er es doc h .
»Geh nicht«, flüsterte Della.
»Psst.« Er berührte ihre Schultern, zog die Decke über sie.
» W irst du den Platz deines Vaters bei den Zweihundertfünfzig überneh m en ? «
»Möglicherweise.«
»Er würde dir m ehr einbringen, als du zum Leben brauchst.«
Harry suchte verzweifelt in der Dunkelheit nach seinen Socken.
»Du könntest Vorlesungen halten. Oder einfach nur schreiben. Dann hättest du endlich Zeit für Jeff und m i ch.«
Er nahm seine Kleider u nd trug sie ins W ohnzim m er.
» W as will s t du eige n t li c h?«, f ragte ihre Stim m e aus dem Schlafzimmer.
Harry war sich durchaus bewußt, daß sie sofort zu ihm gekommen war, als er s i e ge b rauc h t hatte. Sie war in d i esen schwierigen Tagen voll und ganz seine F rau gewesen.
»Ich weiß es nicht. Alles, vielleicht.«
Eine kurze Weile später stand er allein auf der East Eig h ty-si x th Street, h i elt die beiden Pappschac h teln an d e r Schnur und winkte ein Taxi herbei. In W estchester setzte er sich noch vor der Morgendäm m erung ins Arbeitszi mm er und öffnete die Schachte l n. Sein Vater hatte so gut wie alles au f gehoben. Es waren eine Menge län g st bezahlter Rechnungen dabei, ebenso einige Briefe. Manche davon, in deutscher Sprache, waren von Essie. Harry war der Sprache genügend m ächtig, um herauszufinden, daß die beiden, Jahre bevor sie geh e iratet hatten, bereits eine Af f äre m iteinander h a tt e n. Im Gegensatz zu ihrem gesprochenen En g lisch war E ssies geschriebenes Deutsch
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