Der Diamant des Salomon
Alfred, sehr zu seiner Freude, in der Lage, seinen Laden mit Ware zu bestücken, f ü r die er lediglich Quittungen hatte unterzeichnen müssen. Den G r oßteil seines Kapitals konnte er d a her in die A usstattung d es Geschäfts stecken – in dicke Perserteppiche und bequeme antike Sessel, die er neben die V itrinen mit den e d len S t einen s t ellte. Die Innenwände des Ladens wurden eierschalenweiß gestrichen und mit mehreren großen Spiegeln behängt.
Die Eröffnung des Kaufhauses Herpich war ein großes Ereignis. P olitiker hielten Reden, Bänder wurden durchschnitten, u nd der Champagner fl o ß in Strömen. Festlich gekleidete Männer und Frauen gingen an den gläsernen Wänden des Kaufhauses entlang und bewunderten die Nerze, die Zobel- und Steinmarderpelze, die alle von den raffi n ie r t v e rborgenen Lampen in ein helles Li c ht getauc h t waren.
Aber noch etwas lockte die Passanten an diesem Abend an. Es war eine riesige Jupit e rlampe, die ein paar Häuser weiter mitten auf dem Gehsteig stand und eine pflaumenfarbig gestrichene Fassade anstrahlte, in der sich einmal die jetzt zugemauerten S c haufenster des Schuhgeschäfts befunden hatten. Nach dem wil d en Pelzdschungel in dem durchsichtigen Kaufhaus hatte der Anblick dieser Wand direkt etwas Beruhigendes an sich. Hinter ihrer glatten Leere schien sich ein vielversp r echendes Geheimnis zu verbergen. Die Passanten kamen näher und sahen, daß in der Wand ein schmaler Schli t z war, durch den man einen Blick ins Paradies werfen konnte. Dort funkelte, hinter dickem Glas auf schwar z en Samt gebettet, ein einzelner ungefaßter Diamant.
An der Wand war neben der Tür ein kleines Messingschild angebracht, auf dem nur ein einziges Wort stand.
HAUPTMANN.
Alfred war peinlich darauf bedacht, sofort mit dem ersten Geld, das ihm der Laden einbrachte, seine Schulden bei den Großhändlern zu be z ahlen. Am Anfang versuchten zwei Firmen Kapital a us seiner vermeintlichen Unerfahrenheit zu schlagen. D i e bei d en Unternehmen – eines davon waren die Gebrüder Deitrich, eine alteingesessene deutsche F i rma, das andere die König GmbH, e i n kleineres jüdisches Handelshaus – kontrollierten zusammen den gesamten B erliner Markt für Goldfassungen. E rwin König nannte Alfred auf seine Anfrage hin einen vollkommen überhöhten Preis für seine Ware, der der Gebrüder Deitrich war ebenso hoch. Da Alfred ohne Fassungen keine Diamantringe verkaufen konnte, lag es auf der Hand, daß die beiden Firmen sich untereinander abgesprochen hatten und seine vermeintliche Zwangslage ausnützen wollten.
Aber Alf r ed verbl ü f fte den Vertreter der F i rma König, indem er i h m mit ruhi g er Stimme sagte: »Nein danke. Ich habe mich entschlossen, woanders zu ordern.«
Dasselbe sagte er den G ebrüdern Deitrich.
Eine bange Woche lang mußte er warten, bis König ihn wieder kontaktierte und ein e n vern ü nfti g en Preis nannte.
Alfred ben ü tzte dieses Angebot, um bei den Gebrüdern Deitrich einen noch günstigeren Preis auszuhandeln, und sorgte dafür, daß er in Zukunft von Voticky in Prag mit Fassungen beliefert wurde. Bald ging sein Geschäft so gut, daß er zwei Steinschleifer aus Amsterdam einstellen konnte, die dieselbe Lehre durchlaufen hatten wie Laibel und er selbst.
Das Geldverdienen genoß Alfred von Anfang an. Er kaufte ein schiefergraues Au t o, eines der ersten, das die eben f u sionierten Firmen Daimler und Benz herausbrachten, und er ging zu einem Schn e ider und ließ sich eine erstklassi g e Garderobe anfert i gen. Dr. Silberstein, der einen fleckigen Anzug trug und die V eröffentlichungen des Psychoanalytischen Instituts abonniert hatte, klärte ihn darüber auf, daß er damit bloß seine einsa m e Jugend kompensieren wollte, was aber Alfred nicht davon abhielt, sich einen noch teureren Schneider, den besten, den es in der Tauentzienstraße gab, zu suchen. Dieser Schneider vermittelte Alfred einen H e mdenmacher und einen Schuster, der auch Gamaschen anfe r tigte. Dreim a l am Tag mußten Laufburschen eines Blumenladens frische Sträuße in den Hauptmannschen Laden bringen, aus denen sich Alfred dann eine Blume für sein Knopfloch aus w ählte.
Alfreds Schnurrbart w uchs buschig und rot, aber er stutzte ihn so knapp zurecht, wie er es bei dem Mann gesehen hatte, der jetzt in sei n em Elternhaus wohnte. Alfred glaubte, daß er damit fünf Jahre älter aussah, obwohl seine Jugend, außer bei den Pl änkeleien mit den Großhändlern, für ihn
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