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Der Diamant des Salomon

Der Diamant des Salomon

Titel: Der Diamant des Salomon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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davon überzeugt ist, daß Sie das getan haben. Aber wie schon Rabbi Hill e l sa g t e: ›Es genü g t nic h t, das Böse zu meiden. M a n muß auch den Anschein des Bösen vermeiden.‹«
    A lf red seu f zte.
    »Würden Sie gerne zu der Versammlung des Jüdischen Rats am nächsten Dienstag vormittag kommen?« fragte Dr. Silberstein. »Wir haben dort eine kleine Feier zu Mendelssohns zweihundertstem Geburtstag vorbereitet.«
    »Felix Mendelssohn, der Komponist?«
    »Nein, nein, Moses Mendelssohn, sein Großvater, der den Pentateuch ins Deutsche übersetzt hat.«
    »Leider kann ich nicht kommen«, sagte Alfred. Er studierte das Schachbrett, bevor er einen Zug machte, der Silberstein arg in Bedrängnis bringen würde. »Ich habe in letzter Zeit leider furchtbar viel zu tun«, sagte er.
    Lilo behauptete, er habe nur deshalb, weil er beschnitten war, magische Kräfte über sie. Sobald er erschlafft war, liebkoste sie ihn, nannte ihn ihr e n kleinen jüdischen Ritter und flehte ihn an, doch wieder aufzustehen und zu kämpfen. Sie war zehn Jahre älter als Alfred. Alle nannten sie Lilo, aber ihr wirklic he r Name war Elsbeth Hilde-Maria Krantz, und sie war die Tochter eines westfälischen Schweinebauern. Sieben Jahre lang hatte sie als Dienstmädchen gearbeitet, hatte ihre Unschuld bewahrt und so gut wie jeden Pfennig für die Aussteuer gesp a rt, die ein Mädchen ihres Standes nun einmal brauchte, um heiraten zu können. Wann immer sie ein e n T ag bei ihrer Dienststelle in einer Pension fre i bekommen hatte, war sie nach Hause gefahren und hatte, je nach Jahreszeit, beim Schweinefüttern oder beim S c hlachten geholfen. Als sie fast alles G eld zusam m engehabt hatte, hatte die Inflation zugeschlagen, und über Nacht waren die Reichsmark, die sie sich vom Munde abgespart hatte, wertlos ge w orden.
    »Mein bisheriges Leben hatte jeden Sinn verloren«, erzählte sie Alfred, als sie nebeneinander im Bett lagen und von irgendwoher durch die Wände das Geräusch eines fernen Grammophons hörten. »Ich sah nicht ein, warum es nur die Wahl zwischen der Arbeit als Klofrau oder als Schweinemagd geben sollte, und so beschloß ich, Schauspielerin zu werden.«
    Jetzt arbeitete sie als Verkäufe r in in einem Stoffgeschäft. Außerdem hatte sie sich bei den UFA-Filmstudios als Statistin angeboten und erzählte ab und zu in nicht gerade konkreten Worten von einem Film, in dem sie schon mitgewirkt hatte. Alfred konnte s i ch in ungefähr vorstellen, um was für einen Film es sich dabei gehandelt haben könnte.
    Aber er war gern mit ihr zusammen. Sie gingen viel in Cabarets, besonders in ihr Lieblingslokal, das Tingeltangel. Manchmal nahm Lilo eine Freundin für Ritz mit, der sie immer damit aufzog, daß sie statt Jazz Jatzz sagte, aber meistens gingen Alfred und Lilo allein aus. Er führte sie ins Theater und zum ersten Mal in ihrem Leben in die Philharmonie, wo ein Konzert Artur Schnabels sie zu Tränen rührte.
    Alfred schenkte ihr eine Halskette und ein Armband. Er kaufte ihr bei Herpich eine Pelzjacke, und manchmal gab er ihr auch Geld, aber das n i cht regelmäßig. E r war sehr zufrieden mit dem Leben, das er führte, und hielt sich für einen tollen Burschen.
    Als sie ei n es Nachts z wischen den Vorstell u ngen ins Tingeltangel kamen, hörten sie, wie d e r Conférencier s i ch darüber beschwerte, daß der Barkeeper das Radio ausgeschaltet hatte.
    »Heute abend spielen sie keine Musik«, rechtfertigte sich der Barkee p er. »Nur e n dloses Geschwafel über New York. Wen interessiert das schon?«
    »Was sagen sie denn über N e w York?« fragte Alfred und setzte sich a uf einen Ba r hocker.
    Der Keeper zuckte mit den Achseln. »Ach, dort soll es irgendeinen Börsenkrach gegeben haben.«
    Als Alfred ein paar Monate später vor seinem Laden ein paar Worte mit dem Hausmeister sprach, erzählte ihm dieser, daß ihn die gegenwärtige Wi rtschaftsla g e fat a l an die Inflation von 1921 e rinnere. »Waren Sie 1921 auch in Berlin, Herr Hauptmann?«
    »Nein, da war ich noch auf einer Schule in der Schweiz.«
    Der Mann seufzte. »1921 mußte ich meine Kinder oft hungrig ins Bett schicken.«
    Der Mann hatte nicht so unrecht. Auch jetzt hatten viele Kinder in Deutschland wieder Hunger. In solchen Zeiten dachte niemand daran, sich D i amanten zu kaufen. Auf einmal gab es nicht mehr genügend Arbeit für Alfreds holländische Angestellte, und so bezahlte Alfred ihnen so viel er konnte als letzten Lohn und schickte sie nach Hause.
    Lew Ritz

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