Der Diamant des Salomon
erzählte, daß das Geschäft in der amerikanischen Hutf a brik seines Vaters in Waterbury praktisch zum Stillstand gekommen sei. In diesem Frühjahr war Ritz mit dem Studium fertig und fuhr heim. Einen Tag später erhielt Alfred einen Brief von Onkel Martin. Zur Zeit s e i in seinem Ges c häft in Prag nicht viel los, schrieb dieser, und deshalb könne er Alfred, falls dieser das wünsche, Karel und eventuell sogar Laibel nach Berlin sc h i cken, um dort für ihn zu arbeiten.
Alfred schrieb zurück, daß sie besser dort bleiben sollten, wo sie waren.
»Sie machen die Juden für die Misere verant w ortlich«, sagte Dr. Silberstein. Alfred gefiel es nic h t, wie s ein Hauswirt aussah. Anneliese sagte, daß es um d i e Gesundheit ihres Mannes sehr sch l echt stehe. Sein Herz werde immer schwächer, deshalb gehe auch sein Husten nicht mehr weg. In heißen Sommernächten konnte der alte Mann kaum atmen und saß stundenlang auf Kissen gestützt am offenen Fenster.
»Ein polnischer Cousin von mir unterrichtet immer noch an einer jüdischen Schule in Frankfurt am Main«, sagte Dr. Silberstein. »Dort prügeln die Nazis die Juden bereits.
Und die Polizei hört sich nicht einmal ihre Beschwerden an.«
»Aber Berlin ist immer noch z i vili si ert«, entge g nete Alfred.
»Sie sollten fortgehen. Sie sind noch jung.«
Alfred verlor die Geduld. »Lassen Sie uns lieber Schach spielen«, sagte er.
Die Geschäfte gingen sogar noch schlechter. In Kapstadt war ein Mann namens Ernest Oppenheimer der Vorsitzende von De Beers geworden und hatte festgestellt, daß das Syndikat neben der weltweiten Depression auch noch andere Probleme hatte. De Beers hatte mit der Zeit einen riesigen Vorrat an Diamanten angesammelt, und wäre dieser auf einmal auf den Markt geworfen worden, wären die Preise ins Bodenlose gefallen. Zu allem Überfluß waren auch noch neue Minen in Transvaal und Namaqualand eröffnet worden. Oppenheimer löste das Syndikat auf und schuf statt dessen die Dia m ond Corporation, die dafür sorgen sollte, daß die Steine nur noch tröpfchenweise auf den Markt kamen, um die Preise stabil zu halten. Aber was nützte es, den Wert einer Ware in die Höhe zu treiben, die ohnehin niemand kaufte?
Eines Morgens nach dem Aufst e hen wurde Alfred bewußt, daß er es haßte, ein G eschä f tsmann zu sein, der jeden Morgen in den Laden ging und auf die Eingangstür starrte, die sich nur sehr selten öffnete. Einige angesehene Juweliergeschäfte waren schon dazu übergegangen, den billigen Schund zu verkaufen, zu dem Onkel Martin anfänglich geraten hatte. Alfred tat das nicht, statt dessen gönnte er sich ein paar schöne Tage in Holland und bestellte do r t eine Kollektion von blau-wei ß en Delfter Juwelen. Alle Steine, die Alfred auf Kommission im Geschäft hatte, wurden zurückgegeben, und er behielt nur sieben klei n e gelbe Di am anten in s einem Tres o r, damit er sich immer noch wie ein Diamantenhändler fühlen konnte. Der weiße Diamant im Schaufenster wurde durch eine Schweizer U hr ers e tzt. Die neue K olle k tion ve r kaufte sich nur schlecht, aber es hätte auch nicht geholfen, wenn er billigere St ücke ins P r ogramm genommen hätte. In den Wäldern um Berlin wuchsen die Z eltstädte der Arbeitslosen, die sich keine Wohnung e n mehr leisten konnten.
»Wir brauchen einen starken Mann, der uns aus diesem Schlamassel herausführt«, sagte der Hausmeister und starrte dabei Alfreds guten Anzug an. Irgend et w as Merkwürdiges l a g im Blick des Hausmeisters; e n twe d er war er Nazi oder Kommunist, vielleicht aber hatten auch seine Kinder wieder Hunger.
Dann schrieb Paolo Luzzatti von Sidney Luzzatti & Söhne in Neapel, daß die A rbeit, über die er mit Alfred vor einigen Jahren in Antwerpen gesprochen hatte, jetzt spruchreif w erde. Alfred hatte in den vergangenen Jahren oft an den Diamanten der Inquisition gedacht. Die Aussicht, die Tiara von Papst Gregor in die Hände zu bekommen, war ein L i c htblick in d e r t r isten Düsternis, z u der ihm das Leben in Berlin geworden war. Auf der Prachtstraße Unter den Linden, die Alfred immer schon gerne entlangspaziert war, fanden jetzt zwei- oder dreimal in der Woche Paraden statt – entweder von der SA in ihren Braunhemden oder von den Kommunisten aus den östlichen Stadtbezi r ken, die ih r e a usgebliche n en, gelben Arbeitskittel trugen. Wann immer zwei solche Marschk o lonnen aufeinandertrafen, war sofort eine brutale Schlägerei im Gange, und es kam Alfred
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