Der Diamant des Salomon
verlängern wollte.
Als Alfred verneinte, blickte ihn der Direktor über den
Rand seiner Brille fragend an.
»Oh. Und wo wollen Sie dann hingehen, Hauptmann?«
»Nach Berlin«, antwortete er.
Dein Plan g e f ällt m i r nicht, schrieb Onkel Martin.
Beim Syndikat hättest du eine glänzende Zukunft gehabt. Es ist töricht, wenn ein so junger Mann w i e du im Dia m antengeschä f t auf eigenen F ü ßen steh e n will. W er wird schon von einem Grünschnabel so wertvolle Dinge kaufen wollen? W enn du De Beers unbedingt verlassen willst, dann komm zu uns nach P rag. Unser Ges c hä f t geht hervorragend, und wir könnten dich gut gebrauchen. In zehn oder fünfzehn Jahren, wenn du die nötige Erfahrung und Reife hast, werden wir dir dabei helfen, ein eigenes Geschäft auf die Beine zu stellen.
Aber Alfred blieb hart, und schließlich gab Onkel Martin nach. »Aber du machst das alles auf eigenes Risiko«, sagte er, nachdem er Alfred nach Prag zitiert hatte. Er schloß die Tür zu seinem Büro, sperrte den Safe auf und überreic h t e dem erstau n ten Alfred s e in väte r lic he s Erbe – einen großen Stein, dessen unterer Teil mit G oldbronze angestrichen war.
»Dieser S t e i n i s t seit vie l en Generationen in unserer Familie und wird immer vom ältesten Sohn an dessen ältesten Sohn weitergegeben. Ich übergebe ihn dir an deines Vaters St a tt . «
Auße r de m vergoldete n Stei n erhiel t Alfre d noc h dessen Geschicht e un d di e andere n Geheimniss e de r Diamanten-Traditio n i n de r Familie . Marti n braucht e de n ganzen Nach m ittag , bi s e r alle s erzähl t ha t t e , un d Al f r e d wa r z u t i e f s t e rs c hüt t er t . Di e Erzäh l un g hatt e a n etwa s tie f in ih m gerührt , un d e r began n langsam , s i c h selbs t z u verste h en . Dies e Fa m i lie n ge s c h ic h t e pa ß t e g u t z u s e inen Träu m en.
Zum Schluß gab Onkel Martin Alfred das Geld, das ihm sein Vater h i nterlassen hatt e . Es war von Anfang an kein großes Vermögen gewesen, und Alfreds teure Erziehung hatte es noch weiter geschmälert. A ber Alfred besaß noch eine kleinere Summe, die er s i ch v on sei n em Gehalt in Kimberley erspart hatte. Es würde eben genügen müssen.
Er hätte s i ch keine b es s ere Zeit für seine Rückkehr nach Deutschland aussuchen können. Während er fort war, hatte das Land Niederlage, Rev o lution, Arbeit s losigkeit und Hunger durchgemacht, aber j e tzt, Mitte der zwanziger Jahre, wurden die Zeiten w i eder besser, und die Leute führten ein geradezu aussch w eifendes und verschwenderisches Leben. Ausländische Investoren begannen, große Summen in deutsche Handel s- und Industrieunternehmen zu stecken. Alfred durchstreifte Berlin auf der Suche nach einem geeigneten Standort für sein Geschäft. Einen älteren oder jüngeren Menschen als ihn hätte das, was er sah, vielleicht abgestoßen, aber A lfred war genau in dem Alter, in dem er das Laster anziehend fand. Die großen Boulevards waren immer noch breit, sauber und schön, aber auf der Friedrichstraße tu m m elten sich zu jeder T ages- und Nachtzeit wahre Heerscharen v on Prostituierten in grünen Lederstiefeln. Straßen, die Alfred noch als triste Wohnstraßen für Arbeiter und kle i ne Geschäftsleute gekannt hatte, wi m m elten auf einmal von Bars, Amüsierl o kalen und Rotlic ht spelunken.
Ganz Berlin schien voll e r schöner, langbeiniger und sinnlicher F rauen zu sein, so e l ega n t ge k l ei d et, wie Alf r ed sie noch nie zuvor gesehen hatte.
Das graue Bürgerhaus am breiten, prächtigen Kurfürstendamm, in dem Alfred mit s e inen Eltern gewohnt hatte, hatte sich kaum verändert. Nur im Garten war einer der beiden Ginkgo-Bäume gefällt worden und der zweite inzwischen zu einem großen Baum herangewachsen. Alfred blieb lange auf der gegenüber l iegenden Straßenseite stehen und erwartete fast, daß sich die Seitentür des Hauses öffnen und seine M u tter rufen w ürde: Alfred! Alfred, komm so f ort rei n ! Dein Vater ka n n jede Mi n ute hei m kom m en.
Schlie ß lich öffn e t e sich die Tür tatsächlich, und ein älterer Mann trat heraus. Er hatte einen buschigen grauen Schnurrbart und sah aus wie ein pe n sionie r ter O ffi z ier.
Er blickte streng über die Straße, gerade als ein junger Stricher an Alfred heransc h lenderte und ihn am Arm faßte. »Na, wie wärs’s mit uns?« flüsterte der Junge.
»Nein«, sagte Alfred und ging fort.
Er fand ein Zimmer in einem Haus in der Innenstadt, in der
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