Der Diamant im Bauch der Kobra
habe ich Tomaten, Kartoffeln und
Maiskolben.“ Fünf Minuten später hielt Joan ihren Pritschenwagen vor einem
hübschen Einfamilienhaus an, und die drei stiegen aus. Im Garten drehten sich
Rasensprenger. Eine Katze huschte in die Ginsterbüsche. Ein Nachbar, der den
Rasen mähte, winkte herüber. Und im Collins-Haus duftete die Diele nach
Abendessen.
Gaby überreichte ihr
Gastgeschenk, einen Bildband der Heimatstadt. Joan freute sich sehr, zumal
verabredet war, dass sie Gaby im nächsten Jahr besuchte. Das Buch lieferte
einen Vorgeschmack. Tim ging den verlockenden Düften nach und entdeckte, dass
der Grill auf der Terrasse stand. Joan hatte den Gartentisch gedeckt.
Der Nachmittag neigte sich. Die
Schatten wurden länger. Seit seiner Ankunft hatte Tim noch kein amerikanisches
Wort geredet — und Gaby nur wenige. Aber Joan wollte ihr Deutsch verbessern,
das in der Schule ihre zweite Fremdsprache war — nach Spanisch.
„Wie gesagt, meine Eltern
kommen erst Sonntag zurück“, meinte sie. „Aber meinen Opa lernt ihr morgen
kennen. Er ist hier geboren und war lange Jahre Bürgermeister. Jetzt ist er ein
bisschen altmodisch. Mich verwöhnt er, wo er nur kann. Zu meinem 16. Geburtstag
in zwei Wochen durfte ich mir ein Schmuckstück wünschen: eine goldene Kette,
die er extra anfertigen lässt. Hinterher habe ich erfahren, dass sie 3000
Dollar kosten wird. Ich war starr vor Schreck. Aber Opa Samuel kratzt das
nicht. Er ist vermögend. Fahren wir jetzt zu Sheila und Bill?“
Die beiden Weltreisenden hatten
nichts einzuwenden. Und Tim dachte: Aha! Das ist besagter Opa, der die
Briglands gekannt hat. Den werden wir fragen. Aber das hat noch Zeit.
7. Ein Gangster kehrt zurück
Die Sonne sank bereits, als
sich Webster dem Ort näherte. Springfield — las er auf einem vorbeihuschenden
Straßenschild. Verschwommene Erinnerungen stiegen in ihm auf. Es lag lange
zurück. Vor 20 Jahren war er mal hier gewesen. Damals hatte die Sache mit der 18jährigen
Eliza Brigland viel Staub aufgewirbelt. Aber daran würde sich niemand mehr
erinnern. Außerdem blieb er nur für eine Nacht.
Die Straßen waren leer um diese
Zeit. In einigen Kneipen ging es hoch her. Ansonsten wirkte Springfield
abendstill und verschlafen. Wie damals, soweit er sich entsann. Aber damals
hatte es den Industrie-Betrieb mit seinen 300 Angestellten noch nicht gegeben.
Für die war morgen Zahltag.
Deshalb kam in aller Frühe ein schwerbewachter Geldtransporter zu der Filiale
der Western-Bank. Und brachte das Geld: etwa 800 000 Dollar.
Den Transporter zu überfallen,
wäre für einen Einzelgänger Irrsinn gewesen. Aber in der Bank gab es nur zwei
Angestellte, und die Sicherheitsvorkehrungen waren von gestern. Das hatte Twain
ausbaldowert. Der Bursche verhökerte Tips. Webster hatte den Tip gekauft.
Wusste er doch: Auf Twain war Verlass.
Er fuhr an der Western-Bank
vorbei, hielt in einer Querstraße, ging zurück und umrundete das Gebäude. Wie
eine Baracke sah’s aus. Als könnten die sich nichts Besseres erlauben. Na,
schön! Das war das eine, das andere waren die 800 000!
Webster erkundete alles genau:
eine Selbstverständlichkeit für einen Profi wie ihn.
Als er zur anderen Seite des
Ortes fuhr, kam er an der Brigland-Villa vorbei. Er sah hinüber, und in seiner
Erinnerung tauchte Elizas Engelsgesicht auf.
20 Jahre war sie nun schon tot.
Ihr qualvolles Siechtum, an dessen Ende der Tod stand, hatte ihn damals so
wenig wie heute berührt. Eigentlich hatte er in all den Jahren nicht mehr an
sie gedacht. Aber jetzt...
Die Villa wirkte verkommen.
Braune Schatten umflossen das Haus. Hinter zwei Fenstern brannte Licht.
Er überlegte, ob wohl Elizas Eltern
noch lebten. Auch an Mike, den jüngeren Bruder, entsann er sich. An den Vater,
den er nur einmal gesehen hatte, konnte er sich nicht mehr erinnern. Die Mutter
war eine glutäugige Schönheit gewesen.
Nachdenklich fuhr er weiter. Er
machte einen Bogen durch die Stadt. An einer Kreuzung kam ihm ein
Pritschenwagen entgegen, in dem Jugendliche alberten: zwei Mädchen und ein
Junge. Eins der Mädchen fuhr.
Das Motel, zu dem er wollte,
lag außerhalb.
Er trug sich als Hyram F.
Spinkle ein, aß zu Abend, überprüfte im Zimmer seine Pistole und ging zeitig
ins Bett.
*
„Sheila und Bill sind jung,
leben aber schon lange als Herumtreiber. Sie sind total verwahrlost. Manchmal
benehmen sie sich sehr eklig.“ Joan seufzte. „Daran dürft ihr euch nicht
stören. Auch in der heutigen Welt ist
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