Der Diamant im Bauch der Kobra
Leben ist ohnehin schon lange vorbei. Ich
will nur noch, dass du gefasst wirst. Wenn wir die Bank verlassen, werde ich um
mich schlagen und fliehen. Du wirst mich erschießen. Ich weiß. Aber dann werden
dich die Kugeln der Polizisten zersieben. Du hast keine Chance. Du hast nur
noch die Wahl zwischen sicherem Tod und lebenslänglicher Zuchthausstrafe. Die
erwartet dich, wenn du aufgibst.“
Websters Gesicht hatte sich
verzerrt. Dass sich der Alte opfern würde für seine Rache — daran war nicht zu
zweifeln.
Unschlüssig wanderte sein Blick
zur Toilettentür. Hatte da nicht eben Glas geklirrt? Als zerbreche eine
Fensterscheibe? Jetzt wieder.
Er trat zu der Tür. Wenn der
Alte nicht mitmachte, musste er die beiden Kids als Geisel nehmen.
„Kommt raus!“, befahl er. „Ich
mache Ernst.“
Tims Lachen antwortete. „Jetzt
geht nichts mehr, Webster. Eben haben uns die Polizisten eine Pistole
hereingereicht. Durchs Fenster. Ich kann damit umgehen. Wenn du uns auf den
Pelz rückst, schieße ich dich in Stücke.“
Zwei Minuten später gab Webster
auf.
Mit erhobenen Händen verließ er
die Bank, waffenlos. Der Opa klopfte an die Toilettentür.
„Ihr könnt rauskommen. Es ist
vorbei.“
Tim öffnete die Tür und trat
über die Schwelle. Gaby war etwas blass um die Nase. Verblüfft musterten beide
den Oldie. Mikes Vater war doch vor vier Jahren gestorben. Oder stimmte das
nicht?
„Wo habt ihr denn die
Pistole?“, forschte Brigland.
„Das war nur ein Trick“,
erklärte Tim, „um Webster abzuschrecken. Niemand hat uns eine Waffe gegeben.
Leider mussten wir eine Scheibe zerschlagen.“
„Guter Trick! Darauf muss man
kommen. Und Pech für Webster. Die Situation war gegen ihn. Oder vielmehr: Er
war den Beteiligten nicht gewachsen. Kommt mit!“
Sie gingen hinaus. Und die
beiden Amerika-Reisenden waren mächtig gespannt.
Polizisten umringten Webster.
Er trug Handschellen. Sein Gesicht hatte sich grau gefärbt.
Der Polizei-Chef, ein Hüne,
musterte Tim und Gaby voller Neugier, wandte sich aber erst an den Opa.
„Ich befürchtete schon, er
würde Sie tatsächlich als Geisel nehmen, Mr. Collins.“
„Collins?“, schnappte Webster.
„Wieso Collins? Das ist Patrick Norman Brigland.“
„Was?“, staunte der
Polizei-Chef. „Wie kommst du auf die Idee, Mann?“
Der Opa grinste. Zu Webster
sagte er: „Ich heiße Samuel Collins. Früher war ich hier der Bürgermeister. Ich
kannte die Familie Brigland sehr gut. Und das Bild auf deinem Steckbrief — das
habe ich mir damals oft genug angesehen.“
Sekundenlang herrschte Stille.
Dann begann der Polizei-Chef zu lachen. Die andern fielen ein.
Joans Opa!, dachte Tim.
Respekt! Der hat ja Nerven wie Drahtseile. Und Mike wird es umhauen, wenn er
nächste Woche von uns erfährt, was hier gelaufen ist. Endlich, nach 20 Jahren,
kriegt dieser Verbrecher seine Strafe — auch für das, was er Eliza angetan hat.
Collins lächelte die beiden an.
„Du bist Gaby Glockner, nicht wahr? Und du bist Tim. Joan hat mir erzählt von
euch. Als ihr in die Bank kamt, wollte ich euch begrüßen. Aber dann passierte
es schon. Das müssen Sie hören, Chief“, wandte er sich an den Polizei-Chef,
„wie die beiden Webster ausgetrickst haben.“
10. Schlampe mit Herrenhemd
Joans Opa war der Held des
Tages. Beinahe hätten ihn die Springfielder auf den Schultern durch den Ort
getragen.
Allmählich beruhigte sich die
Szene. Die Polizisten verfrachteten Webster ins Stadtgefängnis. Die Menge
zerstreute sich. Die beiden Bankangestellten kehrten hinter die Schalter
zurück. Wer gemeint hatte, für heute sei Feierabend im Geldinstitut, irrte sich.
Im Gegenteil! Samuel Collins
konnte endlich die 3000 Dollar abheben, die er so dringend benötigte. Tim und
Gaby lösten ihre Reiseschecks ein.
Während sie das erledigten, kam
ein Typ in die Bank.
Gaby erschrak bei dem Anblick.
Um Himmels willen!, dachte sie. Nicht schon wieder! Wenn der jetzt eine Pistole
zieht, würde ich mich nicht wundern.
Aber das tat der Typ nicht.
Vielmehr stellte er sich hinter Samuel Collins, dem soeben die 3000 Dollar
ausgezahlt wurden.
Mit verzücktem Gesicht
blätterte der Kassierer sie hin. Er sagte dann noch, die Western-Bank wäre Mr.
Collins sehr verpflichtet.
Collins lachte. „Wenn ihr euch
erkenntlich zeigen wollt, ihr Finanz-Haie, dann erhöht die Zinsen für mein
Sparkonto.“
Alle lachten. Auch der Typ
grinste, was seine Bartstoppeln aufrichtete. Er mochte Mitte Zwanzig sein, lief
barfuß und
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