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Der Dieb der Finsternis

Der Dieb der Finsternis

Titel: Der Dieb der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Doetsch
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langsam ab. Als der Schaft des Stabes sichtbar wurde, schaute er auf seine Männer, die verwirrt die Köpfe schüttelten. Dann drehte er sich um und hielt Iblis den Stab unter die Nase.
    Der Schaft war ein schlichtes Stück Kiefernholz. Brandneu. Levant flippte mit seinem Zeigefinger gegen den Kopf einer der beiden Schlangen. Als Nächstes griff er in eines der offenen Mäuler und drückte mit dem Finger unter den linken Zahn. Das silberne Stückchen brach ab.
    »Soll das ein Witz sein?«, sagte Levant. »Das ist ja nur Schrott.«
    Iblis saß da. Seine Augen zeigten nicht die geringste Regung, als er auf den falschen Stab starrte.
    Detective Levant blickte noch einmal in die Röhre hinein, legte neugierig den Kopf zur Seite und drehte die Rolle dann auf den Kopf. Wie Wasser rieselte das Objekt in seine Hand. Er hielt es hoch, damit alle es sehen konnten. Die Diamanten funkelten und gleißten in der Sonne, die durch das Rückfenster des Mannschaftswagens schien. Das mit Juwelen besetzte Halsband war einzigartig: Diamanten, die in Silber gefasst waren, mit einem riesigen Saphir-Anhänger in der Mitte.
    Ganz kurz zuckte es in Iblis’ Gesicht.
    »Und dafür hast du die Reputation der Türkei aufs Spiel gesetzt?«
    »Ich will meinen Anwalt anrufen«, sagte Iblis ruhig und ohne jede Regung.
    »Du kannst zehn Anwälte anrufen. Niemand kann dir ersparen, was dir bevorsteht.«
    Als Iblis wieder in Schweigen verfiel, konnte keiner der Polizisten seine Hände sehen, die hinter seinem Rücken in Handschellen lagen. Das Blut begann bereits zu tropfen und bildete eine Lache auf der Metallbank, weil er seinen Fingernagel immer wieder in das Fleisch seines linken Unterarms grub, immer tiefer bohrte, die Haut herunterriss.
    Endlich drehte Iblis den Kopf. Seine Augen ganz groß, als wäre er soeben aufgewacht. Er schaute Levant an und lächelte.
***
    KC stürzte durch die Tür der Abendländischen Präsidentensuite des Four Seasons Hotels Istanbul.
    Michael saß am Esstisch. Vor ihm lagen die beiden Lederrollen mit dem Diebesgut. Auf dem Tisch stapelte sich eine Flut von Dokumenten, und neben zwei Mobiltelefonen stand eine offene Flasche Whisky.
    »Wo ist sie?«, fragte KC keuchend, als sie hereinkam.
    »Sie steht unter der Dusche«, erwiderte Michael und sortierte dabei die Papiere.
    »Wie geht es ihr?« KC verzog das Gesicht, weil sie Angst vor der Antwort hatte.
    »Es geht ihr gut. Sie ist allerdings stinksauer.« Michael sah sie an. »Aber ansonsten geht es ihr gut.«
    »Sie ist sauer?« KC schien es nicht fassen zu können. »Weiß sie eigentlich, was wir mitgemacht haben?«
    Michael saß ruhig da und machte sich darauf gefasst, dass sie erst einmal ihrem Zorn Luft machte.
    »So ist es immer schon gewesen. Sie nimmt nicht mal den Hörer ab, wenn ich anrufe.« KC zeigte auf Cindys Mobiltelefon, das auf dem Tisch lag. »Hat sie gesehen, dass es meine Nummer war? Und einfach nicht reagiert?«
    »Na ja …« Michael wollte ihr diese Frage nicht beantworten.
    »Sag mir die Wahrheit!«
    »Sie hat auf das Telefon geschaut und gesehen, dass du es warst. Und da hat sie beschlossen, duschen zu gehen.«
    »Ist ihr denn nicht klar, dass ich ihretwegen mein Leben geopfert habe?« KC ging gereizt auf und ab, zermarterte sich das Hirn und drehte sich schließlich wieder zu Michael um. »Und da hat sie die Frechheit, mich zu ignorieren?«
    »KC«, sagte Michael mit betont sanfter Stimme, stand auf und ging zu ihr. »Sie muss diese Dingen erst einmal verarbeiten. Sie ist entführt worden. Sie war vorher noch nie mit ihrer eigenen Sterblichkeit konfrontiert. So etwas wie das hier hat sie noch nie erlebt. Das ist hart. Ich weiß noch, wie mein Adoptivvater immer gesagt hat, dass du deine Kinder noch so sehr lieben kannst, dass es aber noch lange nicht bedeutet, dass du sie jeden Tag leiden kannst – und trotzdem hörst du niemals auf, sie zu lieben. Das macht dich nicht zu einem schlechten Vater oder zu einer schlechten Mutter, und es macht dich nicht zu einem schlechten Kind oder einer schlechten Schwester. Es ist nur einfach so im Leben. Es geht nicht immer alles seinen gewohnten Gang, es ist vielmehr ein ständiges Auf und Ab. Wir können einen Menschen nicht nur dann lieben, wenn alles gut und das Leben rosig ist. Wenn wir einen Menschen wirklich lieben, dann lieben wir ihn auch an den schlechten Tagen, an ganz schlimmen Tagen.«
    »Es tut weh, Michael«, sagte KC leise.
    »Die Menschen, die wir am meisten lieben, können uns am meisten

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