Der Dieb der Finsternis
im Gefängnis landen konntest.«
»Es ist schwer zu erklären.« Obwohl das Zimmer riesig war, hatte KC das Gefühl, die Wände kämen immer näher auf sie zu.
»Du bist verhaftet worden, KC«, sagte Cindy. »Man hat dich zum Tode verurteilt. Kein Mensch wird so schnell zum Tode verurteilt.«
»Woher weißt du das?«, fragte KC schockiert. Sie hatte nie erwähnt, dass man sie zum Tode verurteilt hatte; sie hatte Cindy lediglich gesagt, dass man sie aufgrund eines Missverständnisses verhaftet habe, dass aber alles in Ordnung gekommen sei.
»Wechsle nicht das Thema.«
»Cindy, woher weißt du das?«
»Jemand hat mich angerufen und mir gesagt, du wärst in Akbikistan im Gefängnis und würdest dort auf deine Hinrichtung warten.«
»Wer hat dich angerufen?«
»Ich weiß es nicht, verdammt!«, fuhr Cindy auf. »Der Anruf kam mitten in der Nacht. Jemand sagte mir, was los ist, und legte einfach auf. Seit über einem Monat hat dich kein Mensch mehr gesehen! Und wenn du dich dann endlich bei mir meldest, bestätigst du nur, dass du im Gefängnis warst, lügst aber, was den Rest angeht!«
»Ich habe dir gesagt, du sollst in London bleiben«, erwiderte KC.
»Wechsle nicht das Thema. Du wärst um Haaresbreite gestorben.«
»Bin ich aber nicht.«
»Was ist los, KC?«
»Nichts, worüber du dir Sorgen machen müsstest.«
»Du bist nicht meine Mutter.«
Cindys Worte trafen KC bis ins Mark.
Cindy ging durchs Zimmer zu ihrem Gepäck, das vor der Treppe stand, und öffnete den Koffer. Sie zog eine Pappröhre heraus, lief zurück zu KC und legte die Röhre auf den Tisch. Feierlich nahm sie Platz. »Ich muss dich etwas fragen, und du musst mir die Wahrheit sagen.«
KC starrte ihre jüngere Schwester an. Sie war nicht mehr das Kind, das sie beschützt und großgezogen hatte. Sie war eine erwachsene Frau, ein ebenbürtiger Partner. Also lenkte KC ein. »In Ordnung.«
Cindy öffnete die Pappröhre und zog das Ölgemälde heraus, rollte es behutsam auseinander und legte es auf den Tisch. KC versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, als sie auf das vertraute Kunstwerk schaute, während ihr Herz schneller schlug.
»Das hast du mir geschenkt, als wir noch Kinder waren, unmittelbar, nachdem Mom gestorben ist. Damals hast du gesagt, es soll mich daran erinnern, dass wir einander immer haben werden und dass wir immer Schwestern bleiben, was auch geschieht.« Sie stockte. »Wo hast du das her?«
KC starrte auf das Gemälde, das über dem Bett ihrer Schwester gehangen hatte. Auf den Monet, der die beiden Mädchen zeigte, die einander bei den Händen hielten. Und ihr wurde angst und bange. »Du verstehst das nicht …«
»Ich verstehe sehr wohl«, entgegnete Cindy und musterte KC mit vorwurfsvollem Blick.
»Es ist nicht so, wie du denkst.«
»Sag mir, dass du es nicht gestohlen hast. Schau mir in die Augen, und sag es mir.«
KC starrte sie nur an.
»Hältst du mich eigentlich für bescheuert? Wann hörst du endlich auf, mich wie ein wohlbehütetes Töchterchen zu behandeln? Du bist meine Schwester, nicht meine Mutter.« Cindy drehte ihr den Rücken zu, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und versuchte, sich zusammenzunehmen. Schließlich drehte sie sich wieder um. »Ich wusste, dass das ein Monet ist, als ich gerade mal fünfzehn war.«
KC sah ihre Schwester an. Der Augenblick, vor dem sie sich so lange gefürchtet hatte, war gekommen. Sie konnte es nicht länger vermeiden, konnte sich nicht mehr hinter erfundenen Geschichten und angeblichen beruflichen Erfolgen verstecken. Sie konnte nicht mehr vor der Wahrheit davonlaufen.
KC holte tief Luft, setzte sich und erzählte Cindy alles. Sie ließ nichts aus und berichtete ihr, was sie alles gestohlen hatte, um ihrer Schwester ein normales Leben zu ermöglichen. Sie vertraute ihr an, was sie wo gestohlen hatte und wie es am Ende dazu gekommen war, dass sie und Simon im Gefängnis gelandet waren. Sie entblößte ihre Seele vor ihrer Schwester in der Hoffnung, dass diese verstand, dass sie, KC, ihre Opfer nur gebracht hatte, um Cindy eine Zukunft zu bieten.
Cindy saß schockiert da. Die Scham stand ihr ins Gesicht geschrieben. Sie weigerte sich, KC in die Augen zu sehen. Es vergingen mehrere Minuten, bis sie wirklich erfasste, was ihre Schwester getan hatte. »Und warum bist du jetzt hier?«
KC brachte kein Wort mehr heraus.
»Um etwas zu stehlen?« Cindy wurde wütend. Sie blitzte KC an. »Zusammen mit deinem Liebhaber?«
»Er ist nicht mein Liebhaber. Er reist morgen
Weitere Kostenlose Bücher