Der Dieb der Finsternis
dass es Zeit sei, ihre Kapelle zu schließen und sie spurlos verschwinden zu lassen. Und gab es einen besseren Ort, um etwas zu verstecken, als einen Raum, der nicht mehr existiert?«
»Warum hat Piri denn sein Meisterwerk zerrissen?«, fragte Busch.
»Ich habe keine Ahnung. Doch was immer der Grund war – es hat Simon in Angst und Schrecken versetzt. Und ich hatte zuvor noch nie erlebt, dass Simon sich vor etwas gefürchtet hat.«
»Um ehrlich zu sein«, warf Michael ein, »interessiert es mich nicht, warum die Karte in zwei Teile gerissen wurde oder wohin sie führt. Sie ist das beste Druckmittel für unsere Verhandlungen, um deine Schwester und Simon zurückzubekommen.«
»So sehr ich da auch mit dir übereinstimme, Michael – Iblis ist mehr als gefährlich.«
»Sind wir das etwa nicht?«, fragte Busch.
KC überlegte einen Moment. »Nicht so wie er.«
Michael schaute KC an. Als er den Ausdruck in ihren Augen sah, erblickte er darin eine panische Angst vor diesem Mann, vor diesem Lehrmeister, der sie in den geheimen Künsten unterwiesen und sie auf niederträchtige Weise betrogen hatte. Er sah den Schmerz, den sie wegen ihrer entführten Schwester empfand, die Angst um deren Leben.
»KC«, sagte Michael leise, »er glaubt, du wärst allein. Er hat nicht die geringste Vorstellung, wer ich bin und wer Busch ist. Er ahnt nicht, dass ich ihm die Karte unter der Nase wegstehlen könnte.«
»Wenn wir die Karte stehlen, wird er meine Schwester töten«, wandte KC ein.
»Denk genau nach, KC. Gibt es diese Karte nur einmal? Gibt es keine Kopien?«
KC schüttelte den Kopf. »Simon hat gesagt, es gäbe nur diese eine.«
»Dann müssen wir sie uns beschaffen, bevor Iblis es tut. Die Karte ist alles, was du hast. Sie ist dein einziges Druckmittel. Sie werden das Risiko nicht eingehen, sie zu verlieren. Ich verspreche dir, Cindy wird nicht sterben, wenn du die Karte hast. Deshalb dürfen wir keine Zeit verlieren. Wenn er ein so guter Dieb ist, wie du behauptest, hat er bereits alles geplant. Und wenn dem so ist, muss ich an die Karte herankommen, bevor er sie in die Finger kriegt.«
»Was willst du damit sagen?«
»Ich werde die Karte stehlen«, erwiderte Michael.
»Wieso wusste ich, dass du das sagen würdest?« Busch lehnte sich zurück.
»Das kann ich nicht zulassen«, sagte KC.
»Doch. Nur musst du zur gleichen Zeit den Stab holen. Allein. Kannst du das?«
»Du hast keine Vorstellung, was er meiner Schwester antun wird. Er wird sie foltern …«
Michael hob beide Hände.
»So hart es klingt, aber ich muss dich bitten, jetzt nicht weiter an deine Schwester zu denken. Das Gleiche gilt für Simon. Sie sind am Leben. Wenn wir uns den Kopf über die beiden zermartern, können wir uns nicht konzentrieren und gehen alle drauf.«
KC atmete tief durch und nickte. »Gut, aber ich sage, wo es langgeht.«
»Auf gar keinen Fall.«
»Es geht um meine Schwester!«
»Das stimmt«, erwiderte Michael. »Deshalb habe ich den klareren Kopf.«
»Du bist schon viel zu lange aus dem Geschäft«, wandte KC ein.
»Das stimmt nicht so ganz«, mischte Busch sich ein.
»Ich dachte, Michael hätte vor Jahren Schluss damit gemacht.«
»Hat er das gesagt?« Busch hatte Mühe, nicht zu lachen.
»Wir werden als Team arbeiten«, sagte Michael. »Du holst den Stab, ich die Karte. Wir müssen das aber schnell auf die Reihe bekommen, innerhalb von höchstens sechzig Stunden, und wir müssen beide Diebstähle zur gleichen Zeit begehen.«
»Und wenn einer von euch geschnappt wird?«, warf Busch ein.
»Das passiert nicht«, erwiderten Michael und KC wie aus einem Mund.
»Großartig«, meinte Busch. »Ihr zwei gebt sogar die gleichen Antworten.«
»Wenn Iblis von dir erwartet, KC, dass du den Stab innerhalb von drei Tagen stiehlst, wird er sich die Karte vorher holen«, sagte Michael.
»Woher willst du das wissen?«
»Sobald du den Stab gestohlen hast, werden die Sicherheitsvorkehrungen dermaßen verschärft, dass es alles bisher Dagewesene in den Schatten stellt. Erzähl mir über Iblis. Was für ein Dieb ist er?«
»Er hat keinerlei Bedenken, dir ein Messer in den Nacken zu stoßen und zuzuschauen, wie du ausblutest.«
»Das ist ja schon mal beruhigend«, meinte Busch.
»Außerdem ist er extrem misstrauisch. Ich gehe jede Wette ein, dass er in diesem Moment dieses Hotel hier beobachtet«, fuhr KC fort.
»Dann müssen wir ihm morgen früh den Eindruck vermitteln, dass ich das Land verlasse.« Michael wandte sich an Busch.
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