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Der Dienstagabend-Club

Der Dienstagabend-Club

Titel: Der Dienstagabend-Club Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Es schien mir merkwürdig, dass die Fantasie mit meiner Hand einen solchen Schabernack spielen konnte. Doch als ich wieder zum Gasthof hinüberschaute, erlitt ich den nächsten Schock. Meine Hand hatte doch nur gemalt, was meine Augen sahen – Blutstropfen auf dem weißen Pflaster.
    Wie gebannt starrte ich eine Weile darauf. Dann schloss ich die Augen einen kurzen Moment und sagte mir: Sei nicht töricht. In Wirklichkeit ist gar nichts da. – Dann schaute ich wieder hin, aber die Blutflecken waren immer noch auf dem Pflaster.
    Plötzlich konnte ich es nicht mehr aushalten. Ich unterbrach den Redefluss des Fischers.
    ›Sagen Sie bitte, ich sehe heute nicht besonders gut. Sind das etwa Blutflecke dort auf dem Pflaster?‹
    Er sah mich nachsichtig und freundlich an.
    ›Keine Blutflecke in der heutigen Zeit, meine Dame. Was ich Ihnen erzählt habe, passierte vor ungefähr fünfhundert Jahren.‹
    ›Ja‹, sagte ich, ›aber sehen Sie doch mal hin – da auf dem Pflaster –‹ Die Worte erstarben mir fast auf den Lippen. Ich wusste, dass er nicht das sehen würde, was ich sah. Ich erhob mich und packte mit zitternden Händen meine Siebensachen zusammen. Währenddessen kam der junge Ehemann aus der Tür des Gasthofes und blickte ziemlich bestürzt die Straße hinauf und hinunter. Oben auf dem Balkon erschien seine Frau und holte die Badesachen herein. Er ging inzwischen auf seinen Wagen zu, drehte sich aber plötzlich um und überquerte die Straße, um den Fischer anzusprechen.
    ›Sagen Sie, guter Mann, wissen Sie zufällig, ob die Dame, die in dem zweiten Wagen heute Morgen hier ankam, schon wieder abgefahren ist?‹
    ›Die Dame in dem groß geblümten Kleid? Nein, Sir, ich habe sie nicht gesehen. Heute Morgen ist sie jedenfalls auf dem Klippenweg zur Höhle gegangen.‹
    ›Ich weiß, ich weiß, wir alle haben uns dort getroffen und zusammen gebadet, und sie hat uns dann verlassen, um ins Dorf zurückzukehren. Aber ich habe sie seitdem noch nicht wieder gesehen. Sie kann unmöglich so lange unterwegs sein. Die Klippen in dieser Gegend sind doch nicht etwa gefährlich?‹
    ›Das richtet sich ganz danach, welchen Weg Sie gehen. Am besten ist immer, wenn man einen Ortskundigen mitnimmt.‹
    Offenbar meinte er sich selbst damit und begann, weit ausholend, mit neuen Erklärungen, aber der junge Mann schnitt ihm kurzerhand das Wort ab und rannte zum Gasthof zurück, wo er seiner Frau, die noch auf dem Balkon stand, zurief:
    ›Margery, merkwürdigerweise ist Carol noch nicht wieder zurück.‹
    Margerys Antwort konnte ich nicht verstehen, aber ihr Mann fuhr fort: ›Wir können jetzt nicht länger warten, weil wir möglichst bald in Penrithar sein müssen. Bist du fertig? Ich will eben den Wagen holen.‹
    Das tat er, und bald darauf fuhren die beiden los. Inzwischen hatte ich genügend Mut gefasst, um mir selbst zu beweisen, wie lächerlich meine Fantasiegebilde waren. Sobald der Wagen verschwunden war, ging ich zum Gasthof hinüber und untersuchte das Pflaster genau. Es gab natürlich keine Blutflecke. Sie waren mir von meiner verzerrten Fantasie vorgegaukelt worden. Aber irgendwie erschien die Sache dadurch nur unverständlicher. Während ich grübelnd dastand, hörte ich wieder die Stimme des Fischers.
    Er warf mir einen merkwürdigen Blick zu.
    ›Sie haben also geglaubt, hier Blutflecke zu sehen, meine Dame?‹
    Ich nickte.
    ›Das ist seltsam, wirklich sehr seltsam. Hier herrscht nämlich noch ein alter Aberglaube. Wenn jemand diese Blutflecke sieht –
    Er hielt inne.
    ›Nun, was ist dann?‹, fragte ich.
    Er fuhr mit seiner weichen Stimme, die völlig frei von cornischen Dialektausdrücken war, fort:
    ›Man sagt hier zu Lande: Wenn jemand diese Blutflecke sieht, dann wird innerhalb von vierundzwanzig Stunden ein Todesfall eintreten.‹
    Schaurig! Es rieselte mir kalt den Rücken hinab.
    Mit sanftem Ton fuhr er fort: ›Es gibt da eine sehr interessante Tafel in der Kirche, meine Dame, über einen Toten –
    ›Nein, danke‹, wehrte ich energisch ab, drehte mich rasch um und ging die Straße hinauf zu dem kleinen Häuschen, in dem ich wohnte. Gerade als ich dort ankam, sah ich in der Ferne die Frau, die Carol hieß, auf dem Klippenpfad dahineilen. Gegen den Hintergrund der grauen Felsen wirkte sie wie eine giftige Scharlachblume. Ihr Hut sah aus, als sei er in Blut getaucht…
    Ich schüttelte mich. Wirklich, Blut war bei mir schon zur fixen Idee geworden.
    Später hörte ich das Geräusch ihres Wagens, und

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