Der Dienstagabend-Club
Nachtschwester hatte an dem bewussten Abend ihren Sessel ans Fenster geschoben. Sie erklärte, dass der Lastwagen die gegenüberliegende Garage nicht hätte verlassen können, ohne von ihr gesehen worden zu sein, und sie sagte unter Eid aus, dass der Wagen in jener Nacht die Garage nicht verlassen habe.«
»Das ist kein Problem«, erklärte Joyce. »Die Krankenschwester ist natürlich eingeschlafen. Meistens geht das so.«
»Das soll – hm – schon vorgekommen sein«, sagte Mr Petherick diskret. »Aber es will mir scheinen, dass wir Tatsachen ohne genaue Prüfung hinnehmen. Bevor wir die Zeugenaussage der Krankenschwester akzeptierten, sollten wir ihre Glaubwürdigkeit genauestens prüfen. Dieses mit so verdächtiger Schnelligkeit gelieferte Alibi ist dazu angetan, Zweifel zu wecken.«
»Die Künstlerin hat aber auch eine Aussage gemacht«, wandte Raymond ein. »Sie erklärte, sie habe Schmerzen gehabt, die sie fast die ganze Nacht wach gehalten hätten, und sie würde bestimmt das Motorengeräusch des Wagens gehört haben, besonders in der Stille, die auf den Sturm folgte.«
»Hm«, meinte der Pfarrer. »Das ist natürlich ein Beweis mehr. Besaß Kelvin selbst ein Alibi?«
»Er behauptet, dass er von zehn Uhr an zuhause und im Bett gewesen sei, konnte aber keine Zeugen zur Unterstützung dieser Aussage beibringen.«
»Die Sache ist ganz einfach«, erklärte Joyce, »die Krankenschwester muss eingeschlafen sein. Und die Patientin ebenfalls. Kranke Leute bilden sich immer ein, sie hätten die ganze Nacht kein Auge zugetan.«
Raymond West warf einen fragenden Blick auf Dr. Pender, der nachdenklich sagte: »Wissen Sie, dieser Kelvin tut mir eigentlich leid. Wer einmal einen schlechten Namen hat, dem wird so allerlei angehängt. Kelvin war im Gefängnis gewesen. Abgesehen von der Reifenspur, die allerdings zu bedeutsam ist, um einen bloßen Zufall darzustellen, spricht außer seiner unglückseligen Vergangenheit nichts gegen ihn.«
»Und was meinen Sie dazu, Sir Henry?«
Sir Henry schüttelte den Kopf.
»Zufällig ist mir dieser Fall bekannt. Also darf ich mich nicht dazu äußern.«
»Und wie steht es mit dir, Tante Jane? Was ist deine Meinung?«
»Die würde dir nicht gefallen, lieber Neffe. Die jungen Leute halten nicht viel von den Ansichten der Älteren, das habe ich schon gemerkt. Es ist besser, man schweigt.«
»Unsinn, Tante Jane. Heraus mit der Sprache!«
»Nun, lieber Raymond«, begann Miss Marple, während sie ihr Strickzeug hinlegte und zu ihrem Neffen hinüberblickte. »Ich bin vor allen Dingen der Ansicht, dass du in der Wahl deiner Freunde vorsichtiger sein solltest. Du bist so leichtgläubig, mein Lieber, und lässt dich so rasch einwickeln. Das liegt wohl daran, dass du ein Schriftsteller bist und so viel Fantasie hast. Diese Geschichte mit der spanischen Galione! Wenn du älter wärst und mehr Lebenserfahrung hättest, würdest du sofort auf der Hut gewesen sein. Noch dazu bei einem Mann, den du erst wenige Wochen kanntest!«
Sir Henry ließ plötzlich ein homerisches Gelächter erschallen und schlug sich kräftig auf das Knie.
»Da haben Sie aber eine aufs Dach gekriegt, Raymond«, rief er. »Miss Marple, Sie sind wundervoll. Ihr Freund Newman, mein Junge, hat noch einen anderen Namen – mehrere sogar. Im Augenblick weilt er nicht in Cornwall, sondern in Devonshire – genauer gesagt, in Dartmoor – als Sträfling im Princetown-Gefängnis. Wir haben ihn nicht bei dem Diebstahl der Goldbarren erwischt, sondern bei der Plünderung der Stahlkammer in einer Londoner Bank. Dann untersuchten wir seine Vergangenheit und fanden eine beträchtliche Portion des gestohlenen Goldes im Garten von Pol House vergraben. Es war eine ganz raffinierte Idee. An der ganzen cornischen Küste schwirrten Geschichten umher von gesunkenen Galionen und Goldschätzen. Daher fiel der Taucher nicht auf, und später wäre aus diesem Grund auch das Gold nicht aufgefallen. Aber man brauchte einen Sündenbock, und für diesen Zweck war Kelvin geradezu ideal. Newman hat seine kleine Komödie sehr gut gespielt, und unser Freund Raymond mit seinem Ruf als Schriftsteller war ein einwandfreier Zeuge.«
»Aber die Reifenspur?«, beharrte Joyce.
»Oh, das ist mir gleich aufgefallen, meine Liebe, obwohl ich von Autos nichts verstehe«, erwiderte Miss Marple. »Ein Rad lässt sich leicht auswechseln – das habe ich schon oft beobachtet –, und sie konnten natürlich ohne Weiteres ein Rad von Kelvins Wagen abnehmen, es
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