Der Dienstagabend-Club
Sie sagten doch selbst, dass Digitalin oft auch als Medizin verschrieben wird.«
»Selbst in diesem Fall verstehe ich nicht, was Sie damit bezwecken, Miss Marple.«
»Nun, es würde bedeuten, dass er Digitalin auf ganz natürliche Weise in seinem Besitz hatte – ohne Verdacht zu erregen. Was ich Ihnen zu erklären versuche (ich drücke mich immer so schlecht aus), ist Folgendes: Nehmen wir einmal an, Sie wollten jemanden mit einer tödlichen Dosis Digitalin vergiften. Wäre es da nicht am einfachsten, wenn Sie die Sache so arrangierten, dass alle infolge des Genusses von Fingerhutblättern Vergiftungserscheinungen zeigten? Es würde natürlich für keinen der anderen tödlich ausgehen, aber niemand würde überrascht sein, wenn doch eine Person dabei stürbe; denn Dr. Lloyd wies ja darauf hin, dass die Wirkung so verschieden sei. Niemand würde fragen, ob das Mädchen eine tödliche Dosis von seinem Digitalisextrakt bekommen habe. Er konnte es ihr in einen Cocktail oder in den Kaffee getan oder einfach als Stärkungsmittel verabreicht haben.«
»Sie behaupten also, Sir Ambrose habe sein Mündel, das reizende Mädchen, das er so liebte, vergiftet?«
»Das ist ja gerade der Grund«, erwiderte Miss Marple. »Genau wie bei Mr Badger und seiner jungen Haushälterin. Nun erzählen Sie mir nicht, dass es für einen sechzigjährigen Mann absurd sei, sich in ein zwanzigjähriges Mädchen zu verlieben. Das passiert alle Tage. Und wenn es sich dabei um einen so alten Autokraten wie Sir Ambrose handelte, mochte es sich seltsam auswirken. So etwas wird manchmal zu einer Besessenheit. Er konnte den Gedanken an ihre Heirat mit Lorimer nicht ertragen. Er tat alles, was in seiner Macht stand, um die Heirat zu verhindern; aber es gelang ihm auf die Dauer nicht. Sein Eifersuchtswahn nahm solche Ausmaße an, dass er es vorzog, sie zu töten, statt ihre Hand dem jungen Lorimer zu geben. Er muss sich schon eine ganze Weile mit dem Gedanken getragen haben; denn der Fingerhutsamen musste ja erst unter die Salbeipflanzen gesät werden! Als es soweit war, pflückte er die Blätter selbst und schickte Sylvia damit in die Küche. Der Gedanke daran ist entsetzlich, aber wir müssen wohl so nachsichtig sein wie eben möglich. Männer in dem Alter sind manchmal sehr sonderbar, wenn es sich um junge Mädchen handelt.«
»Mrs Bantry«, fragte Sir Henry, »verhält sich die Sache so?«
Mrs Bantry nickte.
»Ja, allerdings. Ich hatte nicht die geringste Ahnung – dachte nicht im Traum daran, dass es etwas anderes sein könnte als ein Unglücksfall. Nach Sir Ambroses Tod bekam ich dann einen Brief, der mir auf seine Anweisung hin durch seinen Rechtsanwalt zugestellt wurde. Darin erzählte er mir den wahren Sachverhalt. Ich weiß nicht, weshalb – aber er und ich kamen immer recht gut miteinander aus.«
In dem momentanen Schweigen spürte sie anscheinend eine unausgesprochene Kritik und fuhr hastig fort:
»Sie denken sicher, ich hätte einen Vertrauensbruch begangen – aber das ist nicht der Fall. Ich habe alle Namen geändert. Er hieß nicht Sir Ambrose Bercy. Haben Sie denn nicht gesehen, wie Arthur dumm in die Gegend starrte, als ich den Namen zum ersten Mal erwähnte? Er hat es zuerst gar nicht begriffen. Ich habe alles geändert. Wie in den Büchern, wo es zu Beginn heißt: ›Alle Personen in diesem Buch sind reine Fantasiegestalten.‹ Sie werden nie erfahren, um wen es sich in meinem Fall handelte.«
Die seltsame Angelegenheit mit dem Bungalow
» M ir ist auch etwas eingefallen!«, rief Jane Helier.
Ihr schönes Gesicht wurde erhellt durch das vertrauensvolle Lächeln eines Kindes, das Beifall erwartet. Es war dasselbe Lächeln, welches das Londoner Publikum Abend für Abend in Ekstase versetzte und den Fotografen ein Vermögen einbrachte.
»Es ist…« fuhr sie etwas zögernd fort, »einer Freundin von mir passiert.«
Von allen Seiten ertönten aufmunternde, wenn auch etwas geheuchelte Zurufe. Colonel Bantry, Mrs Bantry, Sir Henry Clithering, Dr. Lloyd und Miss Marple waren alle davon überzeugt, dass Janes »Freundin« Jane selber war. Sie war gar nicht dazu imstande, sich an etwas zu erinnern oder sich für etwas zu interessieren, das jemand anders betraf.
»Meine Freundin«, fuhr Jane fort, »– ich will ihren Namen nicht erwähnen – war eine sehr bekannte Schauspielerin.«
Keiner war von dieser Enthüllung überrascht.
Sir Henry Clithering dachte im Stillen: Beim wievielten Satz wird sie sich wohl verraten und
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