Der Dienstagabend-Club
nicht, und ich könnte mir denken, dass seine Frau daraufhin die Scheidung eingereicht hat. Aber darüber weiß ich nichts.«
»Was ist aus Mr Leslie Faulkener geworden?«
»Er wurde zu guter Letzt entlassen. Die Polizei sagte, sie habe nicht genug Beweismaterial gegen ihn. Aber finden Sie das Ganze nicht auch reichlich seltsam?«
»Ganz entschieden. Zunächst müssen wir uns fragen, wem man überhaupt Glauben schenken soll. Während Ihrer Schilderung habe ich bemerkt, Miss Helier, dass Sie geneigt sind, Mr Faulkener zu glauben. Ist es Ihr Instinkt, der Sie dazu treibt – oder haben Sie einen bestimmten Grund dafür?«
»N-ein«, erwiderte Jane zögernd. »Einen bestimmten Grund habe ich nicht, aber er war so sehr nett und voller Bedauern, dass er jemand anders mit mir verwechselt hatte. Daher hatte ich einfach das Gefühl, er müsse die Wahrheit gesprochen haben.«
»Ich verstehe«, lächelte Sir Henry. »Aber Sie müssen doch zugeben, dass er die Geschichte sehr leicht hätte erfinden können. Den angeblich von Ihnen stammenden Brief konnte er selbst schreiben. Auch konnte er sich nach erfolgtem Einbruch sehr gut selbst betäuben – allerdings verstehe ich nicht ganz, was für ein Sinn darin läge. Es wäre viel einfacher gewesen, in das Haus einzudringen, sich zu nehmen, was er brauchte, und dann ruhig zu verschwinden – es sei denn, er habe gespürt, dass er von jemandem in der Nachbarschaft beobachtet worden war. In diesem Fall mag er hastig diesen Plan ausgeheckt haben, um den Verdacht von sich abzulenken und eine Erklärung für seine Anwesenheit in der Gegend zu haben.«
»War er wohl situiert?«, fragte Miss Marple.
»Das nehme ich nicht an«, erwiderte Jane. »Nein, ich glaube sogar, es ging ihm ziemlich schlecht.«
»Mir kommt das Ganze etwas schleierhaft vor«, erklärte Dr. Lloyd. »Ich muss gestehen, der Fall wird noch komplizierter, wenn wir die Geschichte des jungen Mannes für bare Münze nehmen. Warum sollte die Unbekannte, die sich als Miss Helier ausgab, diesen unbekannten Mann in die Affäre ziehen? Warum sollte sie eine so verwickelte Komödie inszenieren?«
»Sagen Sie mal, Jane«, erkundigte sich Mrs Bantry, »ist der junge Faulkener irgendwann im Verlauf dieser Angelegenheit Mary Kerr persönlich begegnet?«
»Das kann ich nicht genau sagen«, erwiderte Jane nach einigem Nachdenken.
»Wenn das nämlich nicht der Fall wäre, ist das Rätsel gelöst!«, triumphierte Mrs Bantry. »Ich bin überzeugt, dass ich Recht habe. Was ist leichter, als vorzutäuschen, dass man nach London bestellt sei? Dann telefoniert man dem Mädchen vom Ankunftsbahnhof aus, und sobald sie ankommt, fährt man wieder nachhause. Der junge Mann erscheint wie verabredet; er wird bewusstlos gemacht, und man inszeniert den Einbruch in recht übertriebener Weise. Daraufhin ruft man die Polizei an, liefert eine ziemlich genaue Beschreibung des Sündenbocks und begibt sich wieder nach London. Mit einem späteren Zug kehrt man dann zurück und spielt die erstaunte Unschuld vom Lande.«
»Aber warum sollte sie ihre eigenen Juwelen stehlen, Dolly?«
»Das tun sie immer«, entgegnete Mrs Bantry. »Außerdem könnte ich hundert Gründe angeben. Sie mag, zum Beispiel, sofort Geld nötig gehabt haben – vielleicht wollte der alte Sir Herman nicht damit herausrücken. Also tut sie so, als seien die Juwelen gestohlen, und verkauft sie heimlich. Oder sie ist von jemandem erpresst worden, der ihr angedroht hat, ihren Mann oder Sir Hermans Frau über die Sachlage aufzuklären. Vielleicht hatte sie die Juwelen auch bereits verkauft, und Sir Herman verlangte ungeduldig danach, sie zu sehen. Also musste sie einen Einbruch fingieren. Das kommt in Büchern sehr häufig vor. Oder vielleicht wollte er sie neu fassen lassen, und dabei wären die falschen Glassteine entdeckt worden. Ha! Hier habe ich noch eine Idee, die nicht so oft in Büchern benutzt wird: Sie täuscht Diebstahl vor, regt sich furchtbar auf und bekommt eine neue Garnitur von ihm. Auf diese Weise macht sie ein ganz schönes Geschäft. Diese Sorte Frauen ist ziemlich gerissen, davon bin ich überzeugt.«
»Sind Sie aber klug, Dolly!«, sagte Jane bewundernd. »An so etwas hätte ich nie gedacht.«
»Du magst ja klug sein, Dolly. Aber Jane sagte nicht, dass du Recht hast«, wandte Bantry ein. »Ich bin eher geneigt, den Herrn aus der City zu verdächtigen. Er würde es gewusst haben, mit was für einem Telegramm man die Dame aus dem Haus locken konnte, und das
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