Der digitale Daemon
Internet haben soll. Bislang besitzt allerdings nach Schätzungen der ITU erst ein Drittel der Menschen, etwa 2,3 Milliarden von knapp 7 Milliarden, einen Zugang zum Internet. Der Fortschritt war dennoch rasant, seit 2000 wuchs bis 2011 die Zahl der Internetnutzer um über 500 Prozent, allerdings herrscht hier ebenso wie im Hinblick der Verteilung des Reichtums weiterhin eine tiefe Ungleichheit zwischen Kontinenten, Regionen und Ländern. Verfügen in Nordamerika fast 80 Prozent und in der EU mehr als 70 Prozent der Menschen über einen Internetzugang, so sind es in Asien trotz der hohen Verbreitungsrate in China nur 26 Prozent und in Afrika gar nur 13,5 Prozent. In manchen Ländern wie Niger, Sierra Leone, Äthiopien oder Liberia sollen noch mehr als 99 Prozent vom Internet ausgeschlossen sein. In Schweden, Dänemark, Finnland, Luxemburg oder den Niederlanden sind im Kontrast dazu um die 90 Prozent online, während es in Rumänien, aber auch in Bulgarien und Griechenland noch weniger als die Hälfte der Menschen ist.
Auch in Zukunft wird dank der Verbreitung der Smartphones und der Tablet-Computer die Kluft zwischen den On- und Offlinern weiter schrumpfen. Die Handynutzung hat sich noch viel schneller verbreitet. Heute sollen schon fast 90 Prozent der Menschen ein Handy besitzen, über einen mobilen Breitbandzugang zum Internet über Smartphones verfügen, aber weltweit noch weniger als 20 Prozent. In Europa haben bereits mehr als 55 Prozent der Menschen einen mobilen Breitbandzugang, in Südkorea mehr als 90 Prozent, in Japan, Schweden und Australien mehr als 80 Prozent, in Afrika gerade einmal 4 Prozent. China stellt mit einer Milliarde Handynutzer auch hier einen Rekord auf, zudem haben bereits 75 Prozent einen Breitbandzugang. Viele mobile Internetbenutzer greifen nur über das Smartphone auf das Internet zu und besitzen keine PCs oder Notebooks. Das schließt zwar die digitale Spaltung auf der einen Seite, verschiebt sie aber auf ein anderes Terrain, weil mit den Smartphones nur eine eingeschränkte Partizipation an den Potenzialen des Internets möglich ist und vermutlich Kommunikations- und Unterhaltungsanwendungen dominieren.
Die Vorstellung, die digitale Kluft schließen zu können, indem allen Menschen ein Zugang zum Internet zur Verfügung steht, wird die damit verbundenen Utopien einer offeneren, demokratischeren, gerechteren und gleicheren Weltgesellschaft nicht erfüllen. Ende der neunziger Jahre, als man von der »Digitalen Revolution« sprach, glaubte man naiverweise, dass die Verbreitung der digitalen Technik automatisch die Welt offener, demokratischer und gleicher machen werde. Die Technik war gewissermaßen die Chancengleichheit, weswegen diejenigen, die keinen Zugang zu ihr haben – vor allem wenn sie sich in den fortgeschrittenen Gesellschaften verweigern und als »digitale Außenseiter«, bestenfalls als Gelegenheitsnutzer gelten –, zum Problemfall wurden.
Normalerweise sind nicht die Abstinenten das Problem, sondern die Konsumenten von Drogen, zumal wenn sie in Abhängigkeit geraten. Hochdramatisch kehren hingegen die Befürworter der digitalen Gesellschaft, die alle Bereiche der Gesellschaft umfassen und integrieren soll, seit mehr als zehn Jahren die Bedeutung von Abstinenz um, wie das etwa in den jährlich veröffentlichten Studien der Initiative D21 zur digitalen Gesellschaft geschieht. Hier werden nicht nur On- und Offliner unterschieden, sondern auch ein Scoring der Teilhabe an der digitalen Gesellschaft von Abstinenten bis zur digitalen Avantgarde erstellt, denen die höchste Kompetenz im Umgang mit Geräten und die größte Bereitschaft zugeschrieben wird, sich möglichst schnell neue Techniken anzueignen.
Auch wenn mittlerweile drei Viertel der Deutschen das Internet nutzen, so spricht man von der digitalen Spaltung und der weiter bestehenden Notwendigkeit, die letzten Verweigerer oder eben Abstinenten doch zu Nutzern digitaler Medien zu machen. Aber um ein Volk von »digitalen Souveränen« zu schaffen und das »digitale Prekariat« möglichst klein zu halten, müsste die schichtenspezifische Bildungsungleichheit direkt und in frühen Jahren angegangen werden, die allein mit der Verfügung über Geräte und den Zugang zum Internet – wie manche wähnen und in der Ausgabe von iPads oder Notebooks an Schulen schon die Lösung sehen – die ebenfalls schichtenspezifischen Nutzungsarten nicht verändern. Computer- und Internetkenntnisse sind ebenso wie der Zugang zu Computern
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