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Der Distelfink

Der Distelfink

Titel: Der Distelfink Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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Dinge, die Boris gern aß), bevor ich dreist an die Theke trat und Brot und Milch und andere Sachen kaufte, die zum Stehlen zu groß waren.
    Zu Hause in New York, ich war ungefähr elf, hatte meine Mutter mich in meiner Tagesstätte zu einem Kurs namens » Kinder in der Küche « angemeldet, und dort hatte ich gelernt, ein paar einfache Mahlzeiten zu kochen: Hamburger, gegrillten Käse (den machte ich manchmal abends für meine Mutter, wenn sie lange arbeiten musste) und etwas, das Boris » Ei und Toasts « nannte. Boris saß auf der Arbeitsplatte, ließ die Fersen gegen den Unterschrank baumeln und redete mit mir, während ich kochte, und nachher wusch er das Geschirr ab. In der Ukraine, erzählte er mir, hatte er manchmal als Taschendieb gearbeitet, um Geld für Essen zu bekommen. » Bin verfolgt worden, ein oder zwei Mal. Aber erwischt nie. «
    » Vielleicht sollten wir irgendwann mal zusammen zum Strip fahren « , sagte ich. Wir standen bei mir zu Hause mit Messer und Gabel an der Küchentheke und aßen unsere Steaks direkt aus der Pfanne. » Das wäre genau der richtige Ort dafür. Ich hab noch nie so viele Betrunkene gesehen wie da, und sie sind alle von außerhalb. «
    Er hörte auf zu kauen und sah mich schockiert an. » Und warum sollten wir? Ist doch so leicht zu klauen hier, so große Geschäfte! «
    » Ich sag ja nur. « Das Geld, das ich von den Portiers gekriegt hatte und das Boris und ich nach und nach in kleinen Dollarbeträgen ausgaben, an Automaten und in dem 7-Eleven-Supermarkt neben der Schule, den Boris immer » das Magazin « nannte, würde noch eine Weile reichen, aber nicht ewig.
    » Ha! Und was mach ich, wenn du verhaftet wirst, Potter? « Er warf dem Hund, dem er beigebracht hatte, auf den Hinterbeinen zu tanzen, ein großes Stück von seinem Steak zu. » Wer kocht dann das Essen? Und wer kümmert sich um Snaps hier? « Er nannte Xandras Hund Popper immer nur » Amyl « und » Nitrat « und » Poptschik « und » Snaps « , aber nie bei seinem richtigen Namen. Ich nahm ihn immer öfter mit ins Haus, obwohl ich das nicht sollte; ich hatte es einfach satt, dass er ständig an seiner Kette zerrte, um durch die Glastür hereinzuschauen, und sich die Lunge aus dem Leib kläffte. Drinnen war er überraschend ruhig; er lechzte nach Aufmerksamkeit und blieb uns immer eifrig auf den Fersen, die Treppe rauf und wieder runter, und er rollte sich in meinem Zimmer auf dem Teppich zusammen und schlief, wenn Boris und ich uns unterhielten und stritten und Musik hörten.
    » Im Ernst, Boris. « Ich strich mir die Haare aus den Augen (ich musste dringend zum Frisör, aber dafür wollte ich kein Geld ausgeben). » Ich sehe keinen großen Unterschied, ob man Steaks oder Brieftaschen klaut. «
    » Ist großer Unterschied, Potter. « Er breitete die Arme aus, um mir zu zeigen, wie groß der Unterschied war. » Werktätige Personen bestehlen? Oder große, reiche Firma bestehlen, die das Volk ausraubt? «
    » Costco raubt das Volk nicht aus. Costco ist ein Discount-Supermarkt. «
    » Na prima. Privaten Bürgern den Grundbedarf des Alltagslebens stehlen. Das ist dein superschlauer Plan. Aus! « , sagte er zu dem Hund, der laut kläffend um noch ein Stück Fleisch bettelte.
    » Ich würde doch keinen armen Werktätigen bestehlen. « Ich warf Popper selbst ein Stück Steak hin. » In Vegas laufen jede Menge halbseidene Leute rum, die bündelweise Bargeld bei sich haben. «
    » Halbseiden? «
    » Zweifelhaft. Unehrlich. «
    » Ah. « Die dunkle Braue hob sich winkelförmig. » Okay. Aber wenn du Geld von Halbseidenen stiehlst, von Gangstern zum Beispiel, werden sie dir doch wahrscheinlich was tun, ni e ? «
    » Hattest du in der Ukraine keine Angst, dass dir einer was tut? «
    Er zuckte die Achseln. » Mich verprügeln vielleicht. Aber nicht erschießen. «
    » Erschießen? «
    » Ja, erschießen. Guck nicht überrascht. Hier Cowboy Country. Wer weiß? Jeder hat Pistolen. «
    » Ich rede nicht von Polizisten. Ich rede von betrunkenen Touristen. Samstags abends wimmelt es davon. «
    » Ha! « Er stellte die Pfanne auf den Boden, damit der Hund die Reste fressen konnte. » Wahrscheinlich wirst du enden im Knast, Potter. Lockere Moral, Sklave der Wirtschaft. Sehr schlechter Bürger, du. «
    XIII
    Mittlerweile – um den Oktober herum – aßen wir fast jeden Abend zusammen. Boris, der vor dem Essen oft drei oder vier Bier getrunken hatte, wechselte dann zu heißem Tee. Nach dem Essen gab es ein Gläschen Wodka, eine

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