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Der Distelfink

Der Distelfink

Titel: Der Distelfink Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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Kühlschrank, damit sie nicht kaputtgingen. «
    » Wieso kaputt? «
    » Schimmel wächst im Nassen. Schimmel auf den Schuhen, Schimmel auf deinen Büchern. « Er zuckte die Achseln. » Damals hab ich nicht so viel geredet wie jetzt, weil ich konnte nicht so gut Englisch. Sehr schüchtern, hab ich allein gesessen, immer für mich. Aber Judy? Sie hat trotzdem mit mir gesprochen und war nett, obwohl ich von dem, was sie sagte, kein Wort verstanden habe. Jeden Morgen bin ich zu ihr gegangen, und sie hat mir immer den gleichen guten Bratreis gemacht. Regen, Regen, Regen. Boden fegen, Geschirr spülen, ihr helfen beim Saubermachen. Bin ihr überallhin nachgelaufen, wie eine Babygans. Das ist Tasse, das ist Besen, das ist Barhocker, das Bleistift. So war meine Schule. Fernsehen– Duran-Duran-Kassetten und Boy George– alles auf Englisch. McLeods Töchter war ihre Lieblingssendung. Wir saßen immer zusammen vor dem Fernseher, und wenn ich was nicht wusste, hat sie es mir erklärt. Und wir haben über die Schwestern gesprochen, und wir haben geweint, als Claire bei Autounfall starb, und sie sagte, wenn sie eine Farm wie Drover’s hätte, dann würde sie mich mitnehmen, und wir würden da wohnen und zusammen glücklich sein, und wir hätten lauter Frauen, die für uns arbeiten, wie die McLeods. Sie war sehr jung und hübsch. Blonde Locken und blaues Zeug auf den Augen. Ihr Mann hat sie Schlampe genannt und Pferdearsch, aber ich fand, sie sah aus wie Jodi aus der Serie. Den ganzen Tag hat sie mit mir gesprochen und gesungen. Hat mir alle Lieder in der Musikbox beigebracht. › Dark in the city, the night is alive … ‹ Bald hatte ich gute Kenntnis entwickelt. Sprich Englisch, Boris! Ich konnte ein bisschen Englisch aus der Schule in Polen– hallo Entschuldigung vielen Dank, aber zwei Monate mit ihr, und ich nur noch schnatter schnatter schnatter! Hab seitdem nicht mehr aufgehört zu reden! Sie war sehr nett und freundlich zu mir, immer. Aber sie ging in die Küche und weinte jeden Tag, weil sie Karmeywallag so sehr hasste. «
    Es wurde spät, aber draußen war es immer noch heiß und hell. » Hey, ich hab Mörderhunger. « Boris stand auf und streckte sich, sodass ein Streifen Bauch zwischen seiner Combat-Hose und dem verschlissenen Shirt zu sehen war, konkav und leichenweiß wie bei einem verhungerten Heiligen.
    » Was hast du zu essen? «
    » Brot und Zucker. «
    » Du machst Witze. «
    Boris gähnte und rieb sich die roten Augen. » Du hast noch nie Brot mit Zucker gegessen? «
    » Hast du nichts anderes? «
    Er zuckte müde die Achseln. » Einen Gutschein für Pizza. Tolle Sache. So weit draußen liefern sie nicht. «
    » Ich dachte, ihr hattet einen Koch, wo ihr früher gewohnt habt? «
    » Ja, hatten wir auch. In Indonesien. Und in Saudi-Arabien. « Er rauchte eine Zigarette– ich hatte abgelehnt, als er mir eine anbot. Er schien mir ein bisschen betrunken zu sein, denn er driftete wippend im Zimmer herum, als ob wir Musik hätten, aber es lief keine. » Äußerst cooler Typ namens Abdul Fataah. Das bedeutet › Diener des Öffners der Tore der Ernährung ‹.«
    » Hör zu, wir gehen zu mir nach Hause. «
    Er setzte sich auf das Bett und klemmte die Hände zwischen die Knie. » Erzähl mir nicht, die Schlampe kocht. «
    » Nein, aber sie arbeitet in einer Bar mit Buffet. Manchmal bringt sie Zeug zum Essen mit nach Hause. «
    » Ausgezeichnet « , sagte Boris. Er wankte ein bisschen, als er aufstand. Er hatte jetzt drei Bier getrunken, und das vierte war in Arbeit. An der Haustür nahm er einen Schirm und reichte mir auch einen.
    » Äh, wozu soll der gut sein? «
    Er klappte seinen Schirm auf und ging hinaus. » Ist kühler darunter « , sagte er, und sein Gesicht sah im Schatten bläulich aus. » Und kein Sonnenbrand. «
    XII
    Vor Boris hatte ich meine Einsamkeit ziemlich stoisch ertragen, ohne so recht zu merken, wie allein ich war. Und ich glaube, wenn einer von uns in einem wenigstens halbwegs normalen Haushalt gelebt hätte, mit Zapfenstreich und häuslichen Pflichten und Aufsicht durch Erwachsene, wären wir nicht ganz so schnell so unzertrennlich geworden, aber so waren wir praktisch von diesem Tag an ständig beieinander, schnorrten unser Essen zusammen und teilten das Geld, das wir hatten.
    In New York war ich mit vielen weltgewandten Kids aufgewachsen– mit Kids, die im Ausland gelebt hatten und drei oder vier Sprachen konnten, die Sommerprogramme in Heidelberg absolvierten und ihre Ferien an Orten wie

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