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Der Distelfink

Der Distelfink

Titel: Der Distelfink Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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Boris die Bill of Rights oder den Unterschied zwischen den ausdrücklichen und den impliziten Befugnissen des amerikanischen Kongresses klarmachen wollte, musste ich daran denken, wie ich einmal versucht hatte, Mrs. Barbour zu erklären, was ein Internet-Server war.
    » Na, wir sehen uns nach der Stunde « , sagte Boris. » Erklär mir noch mal, bevor ich gehe: Was ist der Unterschied zwischen Federal Bank und Federal Reserve? «
    » Hast du jemandem was erzählt? «
    » Was erzählt? «
    » Du weißt schon. «
    » Was denn, willst du mich anzeigen? « Boris lachte.
    » Nicht dich. Ihn. «
    » Und warum? Warum ist das eine gute Idee? Sag mir. Damit ich abgeschoben werden kann? «
    » Stimmt « , sagte ich nach einer unbehaglichen Pause.
    » Also wir sollten heute Abend essen gehen! « , sagte Boris. » In einem Restaurant! Vielleicht in dem mexikanischen. « Nach anfänglichem Misstrauen und Gemecker hatte Boris Gefallen am mexikanischen Essen gefunden: unbekannt in Russland, sagte er, abernach einer Gewöhnungsphase nicht schlecht. Nur wenn es zu scharf gewürzt war, rührte er es nicht an. » Wir können den Bus nehmen. «
    » Der Chinese ist näher. Und das Essen ist besser. «
    » Ja, aber– erinnerst du dich? «
    » Oh. Ja. Stimmt. « Als wir das letzte Mal da gegessen hatten, waren wir abgehauen, ohne zu bezahlen. » Vergiss es. «
    XVII
    Boris mochte Xandra viel mehr als ich. Er raste los und hielt ihr Türen auf, machte ihr Komplimente zur neuen Frisur und trug Sachen für sie. Ich zog ihn mit ihr auf, seit ich ihn einmal dabei erwischt hatte, wie er ihr in den Ausschnitt starrte, als sie sich vorbeugte, um ihr Handy von der Küchentheke zu angeln.
    » Gott, sie ist heiß « , sagte Boris, als wir oben in meinem Zimmer waren. » Meinst du, dein Dad hätte was dagegen? «
    » Er würde es wahrscheinlich nicht merken. «
    » Nein, im Ernst. Was glaubst du, was dein Dad mit mir machen würde? «
    » Wenn? «
    » Wenn ich und Xandra. «
    » Keine Ahnung. Wahrscheinlich ruft er die Polizei. «
    Er schnaubte verächtlich. » Wieso? «
    » Nicht deinetwegen. Ihretwegen. Unzucht mit Minderjährigen. «
    » Schön wär’s. «
    » Geh und fick sie, wenn du willst « , sagte ich. » Von mir aus kann sie in den Knast wandern. «
    Boris rollte sich auf den Bauch und sah mich verschlagen an. » Sie nimmt Kokain, weißt du das? «
    » Was? «
    » Kokain. « Er tat, als schnupfe er.
    » Du machst Witze « , sagte ich, und als er mich spöttisch angrinste, fragte ich: » Woher willst du das wissen? «
    » Ich weiß es einfach. Die Art, wie sie redet. Außerdem knirscht sie mit den Zähnen. Achte mal drauf. «
    Ich wusste nicht, worauf ich achten sollte. Aber dann kamen wir eines Nachmittags herein, als mein Dad nicht zu Hause war, und sahen, wie sie sich über dem Couchtisch aufrichtete und die Nase hochzog, und dabei hielt sie mit einer Hand ihr Haar im Nacken zusammen. Als sie den Kopf zurücklegte und ihr Blick auf uns fiel, sagte einen Moment lang niemand etwas. Dann wandte sie sich ab, als wären wir nicht da.
    Wir gingen die Treppe hinauf und in mein Zimmer. Obwohl ich noch nie jemanden Rauschgift hatte schnupfen sehen, war sogar mir klar, was sie da getan hatte.
    » Gott, sexy « , sagte Boris, als ich die Tür geschlossen hatte. » Wo sie es wohl aufbewahrt? «
    » Keine Ahnung. « Ich ließ mich auf mein Bett fallen. Xandra verließ das Haus; ich hörte ihren Wagen in der Einfahrt.
    » Glaubst du, sie gibt uns was ab? «
    » Vielleicht gibt sie dir was ab. «
    Boris setzte sich neben dem Bett auf den Boden, zog die Knie an und lehnte sich an die Wand. » Glaubst du, sie verkauft es? «
    » Nie im Leben « , sagte ich ungläubig nach einer kurzen Pause. » Meinst du? «
    » Ha! Gut für dich, wenn sie es tut. «
    » Wieso? «
    » Cash im Haus! «
    » Und was hätte ich davon? «
    Er musterte mich mit einem durchtriebenen, abschätzenden Blick. » Wer bezahlt hier die Rechnungen, Potter? «
    » Hm. « Es war das erste Mal, dass mir diese Frage, deren große praktische Bedeutung mir sofort klar war, in den Sinn kam. » Ich weiß es nicht. Mein Dad, glaube ich. Aber Xandra gibt was dazu. «
    » Und wo kriegt er es her? Seine Gelder? «
    » Keine Ahnung « , sagte ich. » Er telefoniert mit Leuten, und dann geht er weg. «
    » Liegen Scheckbücher rum? Bargeld? «
    » Nein. Nie. Chips manchmal. «
    » Sind so gut wie Bargeld « , sagte Boris sofort und spuckte ein abgebissenes Stückchen Daumennagel auf den Boden.
    »

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