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Der Distelfink

Der Distelfink

Titel: Der Distelfink Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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Wäschehaufen auf dem Fußboden.
    Boris drückte seine Nasenwurzel zwischen Daumen und Zeigefinger und lachte. » Wollte dir nur helfen. Bisschen Schnaps und gleich geht es dir besser. «
    » Ja, vielen Dank auch. «
    » Ist wahr. Wenn du ihn unten behalten kannst. Kopfschmerzen gehen weg wie durch Zauberei. Mein Dad ist kein hilfreicher Mensch, aber das ist eine sehr hilfreiche Sache, die er mir erzählt hat. Schönes kaltes Bier ist am besten, wenn du hast. «
    » Hey, komm mal her. « Ich stand am Fenster und schaute auf den Pool hinunter.
    » Hä? «
    » Komm her. Das musst du sehen. «
    » Erzähl’s mir einfach « , brummte Boris auf dem Boden. » Ich will nicht aufstehen. «
    » Du solltest aber. «
    Da unten sah es aus wie nach einem Mord. Eine Kette von Blutstropfen schlängelte sich über die Steinplatten zum Becken. Schuhe, Jeans, ein blutgetränktes Hemd, alles lag wild durcheinander auf dem Boden. Einer von Boris’ verschlissenen Stiefeln lag am tiefen Ende im Wasser. Und schlimmer noch– im flachen Wasser vor der Treppe schwamm eine Schicht Kotze wie fettiger Schaum.
    XXIV
    Später, nach ein paar halbherzigen Durchgängen mit dem Poolsauger, saßen wir auf der Küchentheke, rauchten die Viceroys meines Dads und schwatzten. Es war kurz vor Mittag– zu spät, um auch nur daran zu denken, noch in die Schule zu fahren. Boris sah zerlumpt und verstört aus. Sein Hemd hing auf der einen Seite von der Schulter herunter. Er hatte mit den Schranktüren geknallt und sich bitterlich beschwert, weil kein Tee im Haus war, und dann hatte er abscheulichen Kaffee auf die russische Art gemacht, indem er das Kaffeemehl in einem Topf auf dem Herd gekocht hatte.
    » Nein, nein « , sagte er, als er sah, dass ich mir eine normale Tasse einschenkte. » Sehr stark, ganz kleine Menge. «
    Ich kostete davon und verzog das Gesicht.
    Er tauchte einen Finger hinein und leckte ihn ab. » Keks wäre nett. «
    » Machst du Witze? «
    » Brot und Butter? « , fragte er hoffnungsvoll.
    Ich rutschte von der Theke herunter, so behutsam ich konnte, denn mir tat der Kopf weh, und suchte herum, bis ich in einer Schublade ein paar Zuckerpäckchen und eine Packung Tortilla-Chips fand, die Xandra vom Buffet in ihrer Bar mitgebracht hatte.
    » Irre « , sagte ich und sah ihm ins Gesicht.
    » Was? «
    » Dass dein Dad so was getan hat. «
    » Ist nichts. « Boris drehte den Kopf zur Seite, um einen ganzen Mais-Chip einzuschieben. » Einmal hat er mir eine Rippe gebrochen. «
    Nach einer langen Pause und weil mir sonst nichts einfiel, sagte ich: » Eine gebrochene Rippe ist nicht so ernst. «
    » Nein, aber tut weh. Diese hier. « Er zog sein Hemd hoch und zeigte mir die Rippe.
    » Ich dachte, er bringt dich um. «
    Er stieß mich mit der Schulter an. » Ah, ich hab ihn absichtlich provoziert. Ihm widersprochen. Damit du Poptschik rausbringen konntest. Hör zu, alles ist gut « , sagte er herablassend, als ich nicht aufhörte, ihn anzustarren. » Gestern Abend hatte er Schaum vor dem Mund, aber es wird ihm leidtun, wenn er mich jetzt sieht. «
    » Vielleicht solltest du eine Zeitlang hierbleiben. «
    Boris lehnte sich zurück, stützte sich auf die Hände und lächelte wegwerfend. » Gibt keinen Grund zur Aufregung. Er kriegt manchmal Depressionen, das ist alles. «
    » Aja. « In den alten Zeiten von Johnny Walker Black Label hatte mein Dad– mit Kotze auf dem Oberhemd, während wütende Mitarbeiter bei uns zu Hause anriefen– seine Wutanfälle (manchmal unter Tränen) auf » Depressionen « geschoben.
    Boris lachte, anscheinend ehrlich erheitert. » Na und? Du bist nicht traurig manchmal? «
    » Er gehört dafür ins Gefängnis. «
    » Oh, hör auf. « Der schlechte Kaffee war ihm langweilig geworden, und er hatte sich zum Kühlschrank aufgemacht, um ein Bier zu holen. » Mein Vater– schlecht gelaunt, schön, aber er liebt mich. Er hätte mich bei einem Nachbarn lassen können, als er die Ukraine verlassen hat. Meinen Freunden Max und Serjoscha ist es so gegangen, und Max ist dann auf der Straße gelandet. Außerdem gehöre ich selbst ins Gefängnis, wenn du so denken willst. «
    » Wie bitte? «
    » Ich habe versucht, ihn umzubringen einmal. Im Ernst! « , fügte er hinzu, als er sah, wie ich ihn anschaute. » Wirklich. «
    » Das glaub ich nicht. «
    » Ist aber wahr « , sagte er resigniert. » Es tut mir auch leid. In unserem letzten Winter in Ukraine ich hab ihn getrickst, damit er hinausgeht– war er so betrunken, dass er es

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