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Der Distelfink

Der Distelfink

Titel: Der Distelfink Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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steckte: » Hallo! Wen haben wir denn da? «
    Pippa hob ihn lachend hoch und knuddelte ihn in ihren Armen. Ich fühlte mich so benommen vor Fieber– knallrot und glühend wie die Stäbe eines elektrischen Heizkörpers und so ankerlos, dass ich mich nicht einmal schämte zu weinen. Ins Bewusstsein drangen mir nur noch meine Erleichterung, hier zu sein, und mein schmerzendes, übervolles Herz.
    In der Küche gab es Pilzsuppe, auf die ich keinen Hunger hatte, doch sie war warm, und mir war eiskalt– und während ich aß (Pippa saß im Schneidersitz auf dem Fußboden und spielte mit Poptschik, ließ die Troddel ihres Großmuttertuchs in sein Gesicht baumeln, Popper/Pippa, wie hatte ich die Verwandtschaft ihrer Namen übersehen können?), berichtete ich ihm kurz und bruchstückhaft vom Tod meines Vaters und dem, was danach los war. Während Hobie mir mit verschränkten Armen zuhörte, wurde seine Miene immer besorgter und die Furchen in seiner störrischen Stirn immer tiefer.
    » Du musst sie anrufen « , sagte er. » Die Frau deines Vaters. «
    » Aber sie ist nicht seine Frau! Sie ist bloß seine Freundin! Ich bin ihr völlig egal. «
    Er schüttelte entschieden den Kopf. » Spielt keine Rolle. Du musst sie anrufen und ihr sagen, dass es dir gut geht. Ja, ja, das musst du « , überging er meine versuchten Einwände. » Kein Aber. Jetzt sofort. In diesem Augenblick. Pips « , in der Küche gab es ein altmodisches Wandtelefon, » komm, lass uns kurz hier verschwinden. «
    Obwohl Xandra so ungefähr der letzte Mensch auf der Welt war, mit dem ich sprechen wollte– vor allem nachdem ich ihr Schlafzimmer gefilzt und ihr Trinkgeld geklaut hatte–, war ich so überwältigt vor Erleichterung, dass ich alles getan hätte, was er verlangte. Während ich die Nummer wählte, sagte ich mir, dass sie wahrscheinlich nicht rangehen würde (bei uns riefen ständig Telefonwerber und Inkassounternehmen an, sodass sie nur selten Anrufe von Nummern entgegennahm, die sie nicht kannte). Deshalb war ich überrascht, als sie nach dem ersten Klingeln antwortete.
    » Du hast die Tür offen gelassen « , sagte sie beinahe sofort vorwurfsvoll.
    » Was? «
    » Du hast den Hund rausgelassen. Er ist weggelaufen– ich kann ihn nirgendwo finden. Wahrscheinlich ist er von einem Auto überfahren worden oder irgendwas. «
    » Nein. « Ich blickte starr in den schwarzen, mit Backstein gepflasterten Hof. Es regnete, Tropfen prasselten gegen die Fensterscheiben, seit zwei Jahren der erste echte Regen, den ich sah. » Er ist bei mir. «
    » Oh. « Sie klang erleichtert. Dann schärfer: » Wo bist du? Mit Boris irgendwo? «
    » Nein. «
    » Ich habe mit ihm gesprochen– total vollgedröhnt, so wie er sich angehört hat. Er wollte mir nicht sagen, wo du bist. Ich weiß, dass er es weiß. « Obwohl es im Westen noch früh war, klang ihre Stimme rau, als hätte sie getrunken oder geweint. » Ich sollte euch bei den Bullen anzeigen, Theo. Ich weiß, dass ihr beide das Geld und den Kram geklaut habt. «
    » Ja, genau wie du die Ohrringe meiner Mom. «
    » Was… «
    » Die mit den Smaragden. Die haben meiner Großmutter gehört. «
    » Ich habe sie nicht gestohlen . « Jetzt war sie wütend. » Wie kannst du es wagen. Larry hat sie mir geschenkt, er hat sie mir geschenkt nach… «
    » Ja, nachdem er sie meiner Mutter gestohlen hatte. «
    » Ähm, Verzeihung, aber deine Mom ist tot. «
    » Ja, aber das war sie noch nicht, als er sie ihr gestohlen hat. Es war ungefähr ein Jahr vor ihrem Tod. Sie hat die Versicherung angerufen « , sagte ich lauter, um sie zu übertönen. » Und Anzeige bei der Polizei erstattet. « Ich wusste nicht, ob das mit der Polizei stimmte, aber es hätte durchaus sein können.
    » Ähm, ich schätze, du hast noch nie etwas von ehelichem Güterrecht gehört. «
    » Genau. Und du hast wohl noch nie was von einem Familienerbstück gehört. Du und mein Dad, ihr wart nicht mal verheiratet. Er hatte kein Recht, sie dir zu schenken. «
    Schweigen. Ich hörte, wie am anderen Ende ein Feuerzeug klickte und sie müde inhalierte. » Hör zu, Junge. Darf ich mal was sagen? Nicht wegen dem Geld, ehrlich. Oder dem Koks. Obwohl ich dir verdammt noch mal versichern kann, dass ich so was in deinem Alter noch nicht gemacht habe. Du denkst, du bist ziemlich clever und alles, und das bist du wohl auch, aber du bist auf einem üblen Weg, du und wie-heißt-er-noch. Ja, ja « , fuhr sie lauter über meinen versuchten Einwand hinweg fort, » ich mag ihn

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