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Der Distelfink

Der Distelfink

Titel: Der Distelfink Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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« ) Er ging früh runter in seine Werkstatt und blieb, wenn er an etwas Bestimmtem arbeitete, manchmal bis nach Einbruch der Dunkelheit dort, doch für gewöhnlich kam er, wenn es dämmerte, nach oben und goss sich– bevor er sich zum Essen frisch machte– jeden Tag sorgfältig den gleichen Daumen breit Whiskey in ein Glas: müde, freundlich, die Hände von Lampenruß schwarz und mit einer rauen soldatischen Erschöpfung. Hat er dich zum Essen eingeladen, simste Pippa mir.
    Ja 2 oder 3 x
    Er mag nur leere restaurants wo keiner hingeht
    Stimmt letzte woche waren wir in einem lokal wie ein pharaonengrab
    Ja er geht nur in läden deren besitzer ihm leidtun! Weil er angst hat dass sie pleite machen und er sich dann schuldig fühlt
    Ich mag es lieber wenn er kocht
    Frag ihn ob er dir lebkuchen macht ich wünschte ich hätte jetzt welche
    Das Abendessen war die Tageszeit, auf die ich mich am meisten freute. In Vegas hatte ich mich– vor allem nachdem Boris die Sache mit Kotku angefangen hatte– nie an die Trostlosigkeit gewöhnt, mir alleine ein Abendessen zusammenzukratzen, mit einer Tüte Chips auf meiner Bettkante zu sitzen oder vertrockneten Reis aus einer Aluschale zu löffeln, die von dem Fertigmenu meines Dads übrig geblieben war. Im fröhlichen Gegensatz dazu drehte sich Hobies ganzer Tag um das Abendessen. Wo sollen wir essen? Wer kommt zu Besuch? Was soll ich kochen? Magst du Pot-au-feu? Nicht? Noch nie gegessen? Limonen- oder Safran-Reis? Eingemachte Feigen oderAprikosen? Möchtest du mit mir zum Jefferson Market laufen? Sonntags hatten wir manchmal Gäste, neben Professoren von der New School und Columbia, in Orchesterfördervereinen und Denkmalschutzvereinigungen engagierten Damen der Gesellschaft und diversen lieben Freundinnen aus der Nachbarschaft auch Händler und Sammler jeder Couleur, von verrückten alten Schachteln mit fingerlosen Handschuhen, die auf dem Flohmarkt edwardianischen Schmuck verkauften, bis hin zu reichen Leuten, die auch bei den Barbours nicht fehl am Platz gewirkt hätten (wie ich erfuhr, hatte Welty vielen dieser Menschen geholfen, ihre Sammlung aufzubauen, indem er ihnen Ratschläge gab, was sie kaufen sollten). Meistens verfolgte ich ihre Unterhaltung völlig ahnungslos (Saint Simon? Das Münchner Opernfestival? Coomaraswamy? Die Villa in Pau?). Aber selbst wenn die Räumlichkeiten förmlich und die Gesellschaften » elegant « waren, hatten die Leute bei Hobies Lunches offenbar nichts dagegen, sich selbst zu bedienen und von einem Teller im Schoß zu essen, ganz anders als die starren Tischsitten bei den Partys, die im Haus der Barbours frostig dahinklimperten.
    Bei diesen Essen, so liebenswürdig und interessant Hobies Gäste auch sein mochten, hatte ich tatsächlich ständig Angst, dass irgendjemand auftauchen könnte, der mich von den Barbours kannte. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich Andy immer noch nicht angerufen hatte, aber nach der Begegnung mit seinem Vater auf der Straße schämte ich mich noch mehr, weil Andy jetzt wusste, dass ich wieder in der Stadt angeschwemmt worden war, ohne eine eigene Unterkunft.
    Und auch wenn es eine vergleichsweise kleine Sache war, plagte mich auch noch immer die Erinnerung daran, wie ich zum ersten Mal bei Hobie aufgetaucht war. Obwohl er die Geschichte, wie ich unvermittelt vor seiner Tür gestanden hatte, nie in meiner Anwesenheit ausbreitete, vor allem weil er sah, wie verlegen ich wurde, erzählte er sie den Leuten trotzdem– nicht dass ich es ihm übel nahm–, es war eine zu gute Geschichte, um sie nicht zu erzählen. » Es ist so passend, wenn man Welty kannte « , sagte Hobies enge Freundin Mrs. DeFrees, eine auf Aquarelle des 19.Jahrhunderts spezialisierte Händlerin, die ungeachtet ihrer steifen Kleidung und starken Parfüms eine große Knuddlerin war und die Angewohnheit alter Damen hatte, einem beim Reden am Arm zu fassen oder den Kopf zu tätscheln. » Denn, mein Lieber, Welty war agora manisch. Er liebte Menschen, weißt du, liebte den Marktplatz. Das Hin und Her. Geschäfte, Waren, Gespräche, Austausch. Es war dieses kleine Stück Kairo aus seiner Kindheit, ich habe immer gesagt, er wäre absolut glücklich gewesen, in Pantoffeln im Souk seine Teppiche zu präsentieren. Er hatte das Talent eines Antiquitätenhändlers, weißt du– er wusste, was zu wem gehörte. Jemand kam in den Laden ohne die geringste Absicht, etwas zu kaufen, vielleicht nur, um sich während eines Schauers unterzustellen, Welty bot ihm

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