Der Distelfink
verkaufen! Leute gucken ins Fenster– Bargeld in der Hand– wollen etwas kaufen– sorry, Lady! Verpiss dich! Laden ist geschlossen! Und er sitzt unten mit seinen Tischlerwerkzeugen und arbeitet zehn Stunden, um zu schnitzen so kleines « – (Daumen und Zeigefinger)– » Stück Holz für irgendeinen beschissenen Oma-Stuhl. «
» Ja, aber er hat auch Kunden. Erst letzte Woche hat er einen ganzen Schwung Sachen verkauft. «
» Was? « , fragte Grischa und riss den Blick von der Straße, um mich wütend anzustarren. » Verkauft? An wen? «
» An die Vogels. Er hat den Laden für sie geöffnet– sie haben einen Bücherschrank, einen Spieltisch… «
Grischa blickte finster drein. » Diese Leute. Seine sogenannten Freunde. Weißt du, warum sie bei ihm kaufen? Weil sie wissen, dass sie bei ihm einen niedrigen Preis kriegen– › Öffnungszeiten nach Vereinbarung ‹ , ha! Wäre besser für ihn, wenn er den Laden für diese Aasgeier geschlossen hält. Ich meine « , Faust auf Brustbein, » du kennst mein Herz. Hobie ist wie Familie für mich. Aber « , er rieb drei Finger aneinander, eine alte Boris-Geste, Geld, Geld!, » unklug in Geschäftsdingen. Er verschenkt sein letztes Streichholz, letzten Bissen Nahrung, was immer, an jeden Schwindler und Betrüger. Guck dir an und sieh selbst– bald, in vier, fünf Jahren sitzt er bankrott auf der Straße, wenn er nicht jemanden findet, der den Laden für ihn führt. «
» Wie wer zum Beispiel? «
» Na ja « , er zuckte die Achseln, » jemand vielleicht wie meine Cousine Lidiya. Die Frau kann verkaufen Wasser an einen Ertrinkenden. «
» Du solltest es ihm sagen. Ich weiß, dass er jemanden sucht. «
Grischa lachte zynisch. » Lidiya? In dem Loch arbeiten? Hör zu– Lidiya verkauft Gold, Rolex, Diamanten aus Sierra Leone. Wird von Limousine zu Hause abgeholt. Weiße Lederhose… bodenlanger Zobelpelz… Fingernägel bis hier. Niemals wird Frau wie sie ganzen Tag sitzen in Trödelladen voller Staub und altem Müll. «
Er hielt und stellte den Motor ab. Wir standen vor einem kastenartigen, aschgrauen Gebäude in einer verlassenen Hafengegend, leere Grundstücke und Autolackierereien, die Art Umgebung, in die Gangster in Filmen immer mit dem Typen fahren, den sie umbringen wollen.
» Lidiya– Lidiya ist sexy Lady « , sagte er nachdenklich. » Lange Beine– fette Möpse– attraktiv. Große Lust auf Leben. Aber für so ein Geschäft will man lieber keinen großen Glitzer wie sie. «
» Sondern? «
» Jemanden wie Welty. Er hatte etwas unschuldig, weißt du? Wie Gelehrter. Oder Priester. Er war Großvater für alle. Trotzdem sehr cleverer Geschäftsmann. Schön, wenn man nett ist, gut Freund mit allen, aber wenn dein Kunde vertraut dir und glaubt, kleinster Preis ist von dir, musst du machen deine Profit, ha! So ist Handel, Maschór. Lauf von beschissene Welt. «
Nachdem man uns die Tür aufgedrückt hatte, kamen wir an einen Tresen mit einem einsamen, Zeitung lesenden Italiener. Während Grischa sich eintrug, studierte ich eine Broschüre, die neben ausgestellter Blasenfolie und Paketbändern in einem Regal lag:
ARISTON KUNSTLAGER
TOPMODERNE AUSSTATTUNG
BRANDSCHUTZ , KLIMATISIERUNG , VIDEOÜBERWACHUNG
INTEGRITÄT – QUALITÄT – SICHERHEIT
ANFORDERUNGSSPEZIFISCHE LAGERBEDINGUNGEN FÜR KUNST JEDER ART
SICHERE AUFBEWAHRUNG IHRER WERTSACHEN SEIT 1968
Bis auf den Mann hinter dem Empfangstresen war das Gebäude menschenleer. Wir beluden den Lastenfahrstuhl und fuhren– mithilfe einer Schlüsselkarte und eines in ein Tastenfeld einzugebenden Codes– in den fünften Stock. Dort gingen wir durch einen langen gesichtslosen Flur nach dem anderen, Kameras an den Decken, anonyme nummerierte Türen, Gang D, Gang E, fensterlose, todessternartige Wände, die sich scheinbar bis in die Unendlichkeit erstreckten, eine Aura von unterirdischen Militärarchiven oder vielleicht den Mauern eines Kolumbariums auf einem futuristischen Friedhof.
Hobie hatte eines der größeren Lager– eine Doppeltür, breit genug für einen Laster. » Da wären wir « , sagte Grischa, hantierte laut mit dem Schlüssel in dem Vorhängeschloss herum und warf die Metalltüren scheppernd auf. » Guck dir den ganzen Scheiß an, den er hier drin hat. « Der Raum war so vollgestopft mit Möbeln und anderen Objekten (Lampen, Bücher, Porzellan, kleine Bronzestatuen, dazu alte B.-Altman-Tüten voller Papiere und modernder Schuhe), dass ich nach einem ersten verwirrten Blick zurückweichen und die
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