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Der Distelfink

Der Distelfink

Titel: Der Distelfink Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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Bewährung. Offenbar war man allgemein der Ansicht, dass alle drei nach wie vor glücklich in Morris Heights leben und fette italienische Mahlzeiten im Haus ihrer Mom verputzen würden, wenn sie nicht den dummen Versuch unternommen hätten, den Wybrand Hendriks an einen Händler zu verkaufen, der die Polizei alarmiert hatte.
    Doch das linderte meine Sorge nicht. Als ich eines Tages aus der Schule nach Hause kam, quoll mir aus dem Obergeschoss dichter Rauch entgegen, und im Flur vor meinem Zimmer liefen Feuerwehrmänner herum. » Mäuse « , sagte Hobie, der blass und mit wirrem Blick in seinem Arbeitskittel und mit seiner Schutzbrille auf dem Kopf durch das Haus streifte wie ein verrückter Wissenschaftler, » Klebefallen kann ich nicht ertragen, sie sind grausam, und ich habe es vor mir hergeschoben, den Kammerjäger zu rufen, gütiger Gott, das ist unerhört, es geht nicht, dass sie meine elektrischen Kabel durchknabbern, ohne den Feueralarm hätte das ganze Haus so hochgehen können, hier « – (an den Feuerwehrmann gewandt)–, » ist es in Ordnung, wenn er reinkommt? « Er wich irgendwelchem Gerät aus, » das musst du sehen « , machte ein paar Schritte zurück und wies auf ein glimmendes Knäuel verkohlter Mäuse hinter der Fußleiste. » Guck dir das an! Ein ganzes Nest von den Viechern! « Obwohl Hobies Haus nach allen Regeln der Kunst alarmgesichert war– nicht nur gegen Feuer, sondern auch gegen Einbruch– und außer an einem Teil der Fußleiste im Flur auch kein nennenswerter Schaden entstanden war, hatte mich der Zwischenfall schwer erschüttert (was, wenn Hobie nicht zu Hause gewesen wäre? Was, wenn das Feuer in meinem Zimmer ausgebrochen wäre?), denn eine derartige Menge von Mäusen hinter einem halben Meter Fußleiste konnte nur bedeuten, schlussfolgerte ich, dass es anderswo noch mehr Mäuse (und durchgekaute Kabel) geben musste, weshalb ich mich fragte, ob ich ungeachtet Hobies Aversion gegen Mäusefallen selber welche aufstellen sollte. Mein Vorschlag, sich eine Katze anzuschaffen– wenngleich von Hobie und der Katzenliebhaberin Mrs. DeFrees begeistert aufgenommen–, wurde wohlwollend erörtert, aber nie in die Tat umgesetzt, und verschwand rasch wieder in der Versenkung. Dann, ein paar Wochen später, als ich mich gerade fragte, ob ich die Katzenfrage noch einmal aufbringen sollte, wäre ich beim Betreten meines Zimmers beinahe in Ohnmacht gefallen, weil er auf dem Teppich neben meinem Bett kniete und unter das Bett griff, wie ich dachte, während er in Wahrheit nur das Kittmesser vom Boden aufheben wollte; er ersetzte gerade die gesprungene untere Scheibe des Fensters.
    » Oh, hallo! « , sagte Hobie, stand auf und wischte sich das Hosenbein ab. » Tut mir leid! Ich wollte dich nicht erschrecken! Seit deiner Ankunft habe ich vor, diese neue Scheibe einzusetzen. Bei diesen alten Fenstern nehme ich natürlich Wellenglas von Bendheim, aber wenn man ein paar durchsichtige Stücke dazwischensetzt, ist es eigentlich auch egal– Vorsicht, pass auf « , sagte er und » alles in Ordnung? « , als ich die Schultasche fallen ließ und in einen Sessel sank wie ein traumatisierter Oberleutnant, der eben vom Schlachtfeld hereingestolpert kam.
    Es war zum Verrücktwerden, wie meine Mutter gesagt hätte. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Obwohl ich mir nur allzu bewusst war, wie sonderbar Hobie mich bisweilen ansah, wie irre ich ihm vorkommen musste, vegetierte ich nach wie vor in dem leichten Dunst meines inneren Tumultes: Jedes Mal wenn jemand vor der Tür stand, schreckte ich hoch, wenn das Telefon klingelte, sprang ich auf, als hätte ich mich verbrüht. » Vorahnungen « , die mich trafen wie Stromstöße, ließen mich mitten im Unterricht aufstehen und nach Hause eilen, um mich zu vergewissern, dass das Bild noch in dem Kissenbezug steckte, dass niemand die Verpackung angerührt oder versucht hatte, das Klebeband aufzuschneiden. Auf meinem Computer durchforschte ich das Internet nach gesetzlichen Bestimmungen, die sich auf Kunstraub bezogen, doch die Fragmente, die ich zusammentrug, waren weit gestreut und ergaben zusammen kein irgendwie relevantes und schlüssiges Bild. Aber dann tat sich nach acht ansonsten ereignislosen Monaten bei Hobie unerwartet eine Lösung auf.
    Ich kam gut aus mit allen von Hobies Transport- und Lager-Hilfen. Die meisten von ihnen waren New Yorker Iren, träge, gutmütige Kerle, die es nicht ganz bis in die Polizei oder Feuerwehr geschafft hatten– Mike, Sean,

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