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Der Distelfink

Der Distelfink

Titel: Der Distelfink Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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fast buchstäblich mit vollen Händen eingenommen, so viel, dass Hobie, der mir den Verdienst an seiner Rettung zuschrieb (er hatte kurz vor dem Bankrott gestanden), darauf bestanden hatte, mich zum Partner zu machen, worauf ich unter den gegebenen Umständen gar nicht besonders erpicht gewesen war. Aber meine Bemühungen, ihn von der Idee abzubringen, hatten ihn nur in seinem Entschluss bestärkt, dass ich an den Gewinnen teilhaben sollte, und je mehr ich versuchte, sein Angebot zurückzuweisen, desto beharrlicher wurde er. Mit der für ihn typischen Großzügigkeit schrieb er meine Zurückhaltung meiner » Bescheidenheit « zu, während ich in Wahrheit fürchtete, dass eine Partnerschaft ein offizielles Licht auf gewisse inoffizielle Machenschaften in dem Laden werfen könnte– Machenschaften, die den armen Hobie bis in die Sohlen seiner John-Lobb-Schuhe erschüttern würden, wenn er davon wüsste. Was er nicht tat. Denn ich hatte vorsätzlich eine Fälschung an einen Kunden verkauft, und der Kunde hatte es herausgefunden und machte Theater.
    Ich hatte nichts dagegen, ihm das Geld zurückzugeben– tatsächlich war der Rückkauf des Stückes mit Verlust die einzige Möglichkeit, was in der Vergangenheit auch immer gut funktioniert hatte. Ich verkaufte stark veränderte Möbel oder unverhohlene Kopien als Originale; wenn der Kunde das Objekt– aus dem trüben Licht von Hobart und Blackwell– nach Hause transportierte und dort eine Unstimmigkeit entdeckte ( » Nimm immer eine Taschenlampe mit « , hatte Hobie mir ganz zu Anfang geraten, » es hat seinen Grund, dass so viele Antiquitätenläden so dunkel sind « ), bot ich– betrübt über die Verwicklungen, aber weiter überzeugt, dass es sich um ein Original handelte– zuvorkommend an, das Stück für zehn Prozent mehr, als der Sammler bezahlt hatte, zurückzukaufen, unter den üblichen vertraglichen Bedingungen. Damit stand ich da wie ein Guter, der an die Integrität seiner Ware glaubte und einem Kunden um dessen garantierter Zufriedenheit willen absurd weit entgegenkam, was den Kunden zumeist besänftigt und bewogen hatte, das Objekt doch zu behalten. Und was die drei oder vier Fälle betraf, in denen misstrauische Sammler mein Angebot angenommen hatten: Der Sammler hatte ja keine Ahnung, dass die Fälschung– indem sie von seinem Besitz in meinen überging, für einen Preis, der ihren Wert scheinbar bestätigte– über Nacht eine Provenienz bekam. Sobald ich sie wieder in meinen Händen hatte, gab es Dokumente, die belegten, dass sie Teil der berühmten So-und-so-Sammlung gewesen war. Trotz des Aufpreises, den ich für den Rückkauf der Fälschung an Mr. So-und-so zahlte (im Idealfall ein Schauspieler oder Modedesigner, der aus Hobby sammelte, wenn nicht ein per se als Sammler bekannter Käufer), konnte ich das Objekt dann manchmal für den doppelten Rückkaufpreis an irgendeinen Wall-Street-Big-Mac weiterverkaufen, der Chippendale nicht von Ethan Allen unterscheiden konnte, aber mehr als entzückt über die » offiziellen Dokumente « war, die bewiesen, dass sein Duncan-Phyfe-Sekretär oder was auch immer aus der Sammlung von Mr. So-und-so stammten, dem berühmten Philanthropen/Innenarchitekten/Broadway-Star/Zutreffendes bitte einsetzen.
    Und bis jetzt hatte es funktioniert. Nur dieses Mal biss Mr. So-und-so– eine Obertunte von der Upper East Side namens Lucius Reeve– nicht an. Beunruhigend war, dass er offenbar glaubte, er sei erstens vorsätzlich hinters Licht geführt worden, was stimmte, und Hobie wäre zweitens nicht nur eingeweiht, sondern mehr noch der eigentliche Kopf hinter dem Betrug gewesen, womit er kaum weiter von der Wahrheit entfernt hätte liegen können. Als ich versuchte, die Situation zu klären, und darauf bestand, dass der Fehler ganz und gar bei mir gelegen habe– hüstel, hüstel, ehrlich, Sir, ein Missverständnis mit Hobie, ich bin noch relativ neu und hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel, seine Arbeiten sind von so hoher Qualität, dass Sie verstehen, wie es bisweilen zu solchen Verwechslungen kommen kann, nicht wahr?–, hatte sich Mr. Reeve ( » Nennen Sie mich Lucius « ), eine gut gekleidete Gestalt von ungewissem Alter und Beruf, unnachgiebig gezeigt. » Sie leugnen also nicht, dass das Stück eine Arbeit von James Hobart ist? « , hatte er bei unserem Nerven zermürbenden Lunch im Harvard Club gefragt, sich vielsagend auf seinem Stuhl zurückgelehnt und mit dem Finger über den Rand seines Mineralwasserglases

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