Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Distelfink

Der Distelfink

Titel: Der Distelfink Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
Vom Netzwerk:
Kissenbezug auf, eingeschlossen in seinem stählernen Sarg. Welche Gründe ich auch immer gehabt haben mochte, das Gemälde vor all den Jahren einzulagern– es überhaupt zu behalten– sogar es aus dem Museum mitzunehmen–, ich konnte mich nicht daran erinnern. Die Zeit hatte sie verwischt. Es war Teil einer Welt, die nicht existierte– oder genauer gesagt, als würde ich in zwei verschiedenen Welten leben, und der Lagerraum gehörte zur imaginären und nicht zur realen Welt. Man konnte das Depot leicht vergessen, vorgeben, es wäre gar nicht da. Halb hatte ich erwartet, beim Öffnen festzustellen, dass das Gemälde verschwunden war, obwohl ich wusste, dass dem nicht so sein würde, denn solange ich es dort ließ, würde es immer im Dunkeln eingeschlossen auf mich warten, wie die Leiche eines Menschen, den ich ermordet und in einem Keller versteckt hatte.
    Am achten Morgen wachte ich nach vier Stunden unruhigen Schlafs schweißgebadet auf, bis ins Mark ausgehöhlt und verzweifelter denn je in meinem Leben, doch sicher genug auf den Beinen, um mit Poptschik um den Block zu laufen, in die Küche zu kommen und das Frühstück eines Rekonvaleszenten zu mir zu nehmen– pochierte Eier und einen englischen Muffin–, das Hobie mir aufdrängte.
    » Wurde auch Zeit. « Er hatte sein eigenes Frühstück beendet und räumte ohne Eile das Geschirr ab. » Weiß wie eine Lilie– wäre ich auch, wenn ich mich eine Woche nur von Crackern ernährt hätte. Was du brauchst, ist ein bisschen Sonne, ein bisschen frische Luft. Du und der Hund, ihr solltet einen schönen langen Spaziergang machen. «
    » Genau. « Aber ich hatte nicht die Absicht, irgendwohin zu gehen, außer direkt nach unten in den Laden, wo es ruhig und dunkel war.
    » Ich wollte dich nicht stören, du warst so darnieder « , seine Zurück-zum-Geschäftlichen-Stimme und sein freundlich zur Seite gelegter Kopf ließen mich verlegen weggucken und auf meinen Teller starren, » aber als du außer Gefecht warst, hattest du auf dem Privatanschluss einige Anrufe. «
    » Ach ja? « Ich hatte mein Handy ausgeschaltet, in eine Schublade gelegt und nicht einmal einen Blick darauf geworfen aus Angst, ich könnte Nachrichten von Jerome vorfinden.
    » Ein furchtbar nettes Mädchen « , er konsultierte den Notizblock und blickte über den Rand seiner Brille, » Daisy Horsley? « (Daisy Horsley war Carole Lombards richtiger Name.) » Sie hat gesagt, sie wäre sehr beschäftigt bei der Arbeit «, (Code für Verlobter zu Besuch, halt dich fern ), » und du sollst ihr eine SMS schicken, wenn du dich melden willst. «
    » Okay, super, danke. « Daisys große bedeutende National-Cathedral-Hochzeit, so sie tatsächlich stattfinden sollte, würde im Juni steigen, danach wollte sie mit ihrem Zukünftigen nach D.C. ziehen.
    » Mrs. Holdersley hat auch angerufen, wegen des hohen Schubladenschranks– nicht der Haubenschrank, sondern der andere. Hat ein gutes Gegenangebot gemacht– achttausend– ich habe angenommen, hoffe, du hast nichts dagegen, die Kommode ist keine dreitausend wert, wenn du mich fragst. Außerdem– hat dieser Bursche zwei Mal angerufen– ein Lucius Reeve? «
    Ich hätte mich beinahe an meinem Kaffee verschluckt– dem ersten, den ich seit Tagen herunterkriegte–, doch Hobie schien es nicht zu bemerken.
    » Er hat eine Nummer hinterlassen. Meinte, du wüsstest schon, worum es geht. Oh « , er setzte sich und schlug unvermittelt mit der Handfläche auf den Tisch, » und eins der Barbour-Kinder hat angerufen. «
    » Kitsey? «
    » Nein « , er trank einen Schluck Tee, » Platt? Hört sich das richtig an? «
    XII
    Der Gedanke, mich ohne Medikamente mit Lucius Reeve auseinandersetzen zu müssen, hätte beinahe gereicht, um mich zurück zum Lagerraum eilen zu lassen. Und was die Barbours betraf, war ich auch nicht besonders erpicht darauf, mit Platt zu sprechen, doch zu meiner Erleichterung war Kitsey am Telefon.
    » Wir richten ein Abendessen für dich aus « , sagte sie sofort.
    » Wie bitte? «
    » Haben wir das nicht erzählt? Oh– vielleicht hätte ich anrufen sollen! Mum war so entzückt, dich zu sehen. Sie will wissen, wann du wiederkommst. «
    » Also… «
    » Brauchst du eine Einladung? «
    » Na ja, irgendwie schon. «
    » Du klingst seltsam. «
    » Tut mir leid, ich hatte eine, ähm, Grippe. «
    » Wirklich? Du liebe Güte. Wir sind alle kerngesund, ich glaube nicht, dass du dich bei uns angesteckt haben kannst– sorry? « , sagte sie zu einer undeutlichen

Weitere Kostenlose Bücher