Der Distelfink
Wohnung benutzen, um, ähm… «
Hobie zog die Augenbrauen hoch. » Objekte zu lancieren? «
» Genau « , sagte ich, froh, dass er es ausgesprochen hatte. Beim » Lancieren « wurden Fälschungen oder minderwertige Antiquitäten in Privatwohnungen und -häusern präsentiert, die häufig älteren Menschen gehörten, um sie an Aasgeier zu verkaufen, die sich um das Totenbett drängten: Widerlinge, die so erpicht waren, die alte Dame unter ihrem Sauerstoffzelt zu betrügen, dass sie gar nicht merkten, wie sie selbst zu Betrogenen wurden. » Als ich versucht habe, ihm sein Geld zurückzugeben, war das sein Vorschlag. Wir liefern die Stücke. Machen halbe-halbe. Er hat nicht aufgehört, mich zu bedrängen. «
Hobie starrte leeren Blickes vor sich hin. » Das ist absurd. «
» Ja « , ich schloss die Augen und kniff mir in die Nase, » aber er ist sehr hartnäckig. Deswegen rate ich dir… «
» Wer ist die Frau? «
» Eine Frau, eine ältliche Verwandte, was auch immer. «
» Wie heißt sie? «
Ich hielt das Glas an die Schläfe. » Weiß nicht. «
» Hier? In der City? «
» Das nehme ich an. « Die Richtung, die seine Nachfragen nahmen, gefiel mir nicht. » Jedenfalls… schmeiß das Ding einfach in den Müll. Es tut mir leid, dass ich es dir nicht früher erzählt habe, aber ich wollte dich nicht beunruhigen. Wenn wir ihn ignorieren, wird er es bestimmt irgendwann leid. «
Hobie sah erst die Karte und dann mich an. » Die behalte ich. Nein « , sagte er scharf, als ich ihn unterbrechen wollte, » das reicht allemal, um damit zur Polizei zu gehen, wenn es sein muss. Der Schubladenschrank ist mir egal– nein, nein « , fuhr er fort und hob die Hand, um mich zum Schweigen zu bringen, » das genügt nicht, du hast versucht, die Sache wiedergutzumachen, und er will dich zu etwas Kriminellem zwingen. Wie lange geht das schon so? «
» Weiß nicht. Ein paar Monate? « , sagte ich, als er mich unverwandt ansah.
» Reeve. « Mit gerunzelter Stirn studierte er die Karte. » Ich werde Moira fragen. « Moira war Mrs. DeFrees’ Vorname. » Du sagst es mir, wenn er wieder schreibt. «
» Natürlich. «
Ich wollte mir nicht einmal ausmalen, was geschehen könnte, wenn Mrs. DeFrees Lucius Reeve zufällig kannte oder etwas über ihn wusste, doch zum Glück hörte ich nichts weiter in der Sache. Es schien schieres Glück, dass der Brief an Hobie so mehrdeutig formuliert war. Aber die Drohung, die dahinterstand, war klar. Trotzdem wäre es dumm, sich Sorgen zu machen, dass Reeve sie wahr machen und die Behörden alarmieren könnte, da er– daran erinnerte ich mich immer wieder– nur eine Chance hatte, das Gemälde für sich zu erlangen, wenn er mir die Freiheit ließ, es zurückzuholen.
Perverserweise verstärkte das meine Sehnsucht, das Bild in meiner Nähe zu haben und es, wann immer ich wollte, betrachten zu können. Obwohl ich wusste, dass es unmöglich war, dachte ich ständig daran. Wohin ich auch blickte, in jeder Wohnung, die Kitsey und ich besichtigten, sah ich potenzielle Verstecke: hohe Schränke, falsche Kamine, breite Dachbalken, die nur mit einer sehr hohen Leiter erreichbar waren, Bodendielen, die man leicht aufstemmen konnte. Nachts lag ich im Bett wach, starrte in die Dunkelheit und fantasierte über extra angefertigte, feuersichere Schränke, in denen ich es sicher einschließen konnte, oder– noch absurder– ein geheimes, klimatisiertes Blaubartzimmer mit Kombinationsschloss.
Mein, meins. Furcht, Götzenanbetung, Hamstern. Das Entzücken und Entsetzen des Fetischisten. Obwohl ich wusste, wie verrückt es war, lud ich mir Kopien des Gemäldes auf meinen Computer und mein Handy herunter, um mich privat daran zu weiden, Pinselstriche in digitaler Wiedergabe, ein Fetzen Sonnenlicht aus dem 17.Jahrhundert, komprimiert in Punkten und Pixeln, aber je reiner der Farbton, je reicher die Farbwiedergabe, desto mehr hungerte ich nach dem unersetzlichen, strahlenden, lichtdurchfluteten Original.
Staubfreie Umgebung. Sicherheitsüberwachung rund um die Uhr. Obwohl ich versuchte, nicht an den Österreicher zu denken, der eine Frau zwanzig Jahre lang in einem Keller gefangen gehalten hatte, war es leider eine Metapher, die einem in dem Sinn kam. Was, wenn ich starb? Von einem Bus überfahren wurde? Könnte jemand das unansehnliche Paket versehentlich für Müll halten und in den Verbrennungsofen werfen? Drei oder vier Mal hatte ich das Depot anonym angerufen, um mich dessen zu vergewissern, was ich bereits vom
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