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Der Distelfink

Der Distelfink

Titel: Der Distelfink Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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Kommen und Gehen miteinander zusammen, redeten ein bisschen zu laut und zu fröhlich, und ich erinnerte mich (viel zu betrübt) an ihren Besuch im vorigen Sommer, vier Monate vor ihrer Ankunft mit » Everett « , und an das tiefgründige, leidenschaftliche Gespräch auf den Stufen vor der Haustür, nur wir beide, als es dunkel wurde: Seite an Seite aneinandergeschmiegt ( » wie zwei alte Tramps « ), mein Knie an ihrem, mein Arm berührte ihren Arm, und wir beide schauten hinaus auf die Straße und redeten über alles Mögliche, über die Kindheit, über Spielkameraden im Central Park und über das Schlittschuhlaufen auf dem Wollman Rink (hatten wir uns in den alten Zeiten irgendwann gesehen? Hatten wir uns auf der Eisbahn gestreift?), über Misfits, den wir kurz vorher mit Hobie im Fernsehen gesehen hatten, über Marilyn Monroe, die wir beide liebten ( » ein kleiner Frühlingsgeist « ), über den armen, zerstörten Montgomery Clift, der immer mit einer Handvoll losen Pillen in den Taschen herumlief (ein Detail, das mir entgangen war und das ich nicht kommentierte), über Clark Gables Tod und die schrecklichen Schuldgefühle, unter denen Marilyn deshalb gelitten, über die Verantwortung, die sie bei sich gesehen hatte– und in seltsamen Spiralbahnen gerieten wir dabei in ein Gespräch über Schicksal, Okkultismus und Wahrsagerei: Hatten Geburtstage etwas mit Glück oder seiner Abwesenheit zu tun? Schlechte Transite, Sterne in verhängnisvoller Anordnung? Was würde eine Handleserin sagen? Warst du schon mal bei einer? Nein– du? Vielleicht sollten wir mal zu der psychischen Heilerin gehen, zu dem Laden in der Sixth Avenue mit den lila Lampen und den Kristallkugeln, der sieht ja aus, als wäre er rund um die Uhr geöffnet– ach, du meinst das Schaufenster mit der Lava-Lampe, wo die verrückte Rumänin in der Tür steht und rülpst?– so redeten wir, bis es so dunkel war, dass wir einander kaum noch sehen konnten, und flüsterten obwohl es keinen Grund dazu gab: Möchtest du hineingehen? Nein, noch nicht, und der dicke Sommermond leuchtete rein und weiß, und meine Liebe zu ihr war eigentlich genauso rein, so einfach und beständig wie der Mond. Aber dann mussten wir schließlich ins Haus gehen, und fast im selben Moment war der Bann gebrochen, und im hellen Hausflur waren wir verlegen und steif im Umgang miteinander, fast als wäre am Ende einer Theateraufführung die Saalbeleuchtung eingeschaltet worden und entblößte die Nähe zwischen uns als das, was sie war: ein schöner Schein. Monatelang hatte ich verzweifelt versucht, diesen Augenblick noch einmal wiederzufinden, und in der Bar war es mir für eine oder zwei Stunden gelungen. Aber wiederum war alles unwirklich, wir waren wieder da, wo wir angefangen hatten, und ich versuchte mir einzureden, es sei doch genug, dass ich sie noch einmal für ein paar Stunden für mich gehabt hatte. Aber das war es nicht.
    XXX
    Anne de Larmessin– Kitseys Patin– war die Gastgeberin unserer Party in einem privaten Club, in den selbst Hobie noch nie einen Fuß gesetzt hatte. Aber er wusste alles darüber. Er kannte seine Geschichte (ehrwürdig), seine Architekten (illuster) und seine Mitglieder (galaktisch, das ganze Programm von Aaron Burr bis zu den Whartons). » Angeblich eins der besten frühen Greek-Revival-Interieurs im Staat New York « , hatte er uns mit ernsthaftem Entzücken informiert. » Die Treppen, die Kaminsimse– ob sie uns wohl in den Leseraum lassen? Der Stuck dort soll noch original sein, habe ich gehört. Wirklich sehenswert. «
    » Wie viele Leute werden da sein? « , fragte Pippa. Sie hatte sich bei Morgane le Fay ein neues Kleid kaufen müssen, weil sie nicht für die Party gepackt hatte.
    » Rund zweihundert. « Vielleicht fünfzehn davon (darunter Pippa und Hobie, Mr. Bracegirdle und Mrs. DeFrees) waren meine Gäste. Hundert waren Kitseys, und der Rest waren Leute, die angeblich auch Kitsey nicht kannte.
    » Einschließlich « , sagte Hobie, » des Bürgermeisters. Und beider Senatoren. Und Prinz Albert von Monaco, stimmt’s nicht? «
    » Sie haben Prinz Albert eingeladen. Ich bezweifle ernsthaft, dass er kommt. «
    » Oh, also nur eine ganz intime Veranstaltung. Rein familiär. «
    » Hör zu, ich gehe da nur hin und tue, was man mir sagt. « Anne de Larmessin hatte das Oberkommando über die Hochzeit ergriffen, angesichts der » Krise « (wie sie es nannte) von Mrs. Barbours Apathie. Es war Anne de Larmessin, die über die richtige Kirche und

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