Der Distelfink
einer Meinung. «
Er setzte sich und sah mich an. » Deine Brille « , sagte er. » Sie gefällt mir. «
» Danke. « Ich wollte nicht über meine neue Brille reden, eine unliebsame Entwicklung, auch wenn ich damit tatsächlich besser sehen konnte. Mrs. Barbour hatte das Gestell bei E.B. Meyrowitz für mich ausgesucht, nachdem ich bei der Schulschwester durch den Sehtest gefallen war. Es war ein rundes Schildpattgestell, ein bisschen zu erwachsen und zu teuer aussehend, und die Erwachsenen machten mir ein bisschen zu viel Aufhebens, wenn sie mir versicherten, wie toll sie aussah.
» Und wie geht’s Uptown? « , fragte Hobie. » Du ahnst nicht, was für einen Wirbel dein Besuch verursacht hat. Tatsächlich hab ich daran gedacht, selber zu dir raufzufahren, und ich hab’s nur nicht getan, weil ich Pippa nicht allein lassen wollte, wo sie doch so bald fortgeht. Es ist alles sehr schnell gegangen, weißt du. Die Sache mit Margaret. Sie ist wie ihr Vater, der alte Mr. Blackwell: Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, legt sie sofort los, und die Sache ist erledigt. «
» Geht er auch mit nach Texas? Cosmo? «
» O nein, der wird schön hierbleiben. Er wohnt in diesem Haus, seit er zwölf Wochen alt war. «
» Wird er nicht unglücklich sein? «
» Ich hoffe nicht. Na ja, ganz ehrlich– er wird sie vermissen. Cosmo und ich kommen gut miteinander aus, obwohl er seit Weltys Tod schrecklich niedergeschlagen ist. Eigentlich war er Weltys Hund; mit Pippa hat er sich erst vor kurzem angefreundet. Diese kleinen Terrier, die Welty immer hatte, sind nicht gerade verrückt nach Kindern, weißt du. Cosmos Mutter Chessie konnte Angst und Schrecken verbreiten. «
» Aber warum muss Pippa dorthin umziehen? «
» Tja… « Er rieb sich das Auge. » Eigentlich ist es das einzig Vernünftige. Margaret ist blutsverwandt mit Pippa, ich nicht. Auch wenn Margaret und Welty kaum miteinander gesprochen haben, als Welty noch lebte. Jedenfalls nicht in den letzten Jahren. «
» Warum nicht? «
» Na ja… « Ich sah, dass er es nicht erklären wollte. » Es ist alles sehr kompliziert. Margaret war überhaupt nicht einverstanden mit Pippas Mutter, weißt du. «
Noch während er dies sagte, kam eine hochgewachsene, spitznasige, kompetent aussehende Frau ins Zimmer, so alt wie eine junge Großmutter, mit dem schmalen, patrizierhaften Gesicht einer Harpyie. Ihr Haar hatte die Farbe von rostigem Eisen, aber es wurde allmählich grau. Kostüm und Schuhe erinnerten mich an Mrs. Barbour, aber die Farbe hätte Mrs. Barbour niemals getragen: Limettengrün.
Sie sah mich an, sie sah Hobie an. » Was ist hier los? « , fragte sie frostig.
Hobie atmete hörbar aus. Er sah genervt aus. » Schon gut, Margaret. Das ist der Junge, der bei Welty war, als er starb. «
Sie musterte mich über ihre Lesebrille hinweg– und dann lachte sie schneidend, ein hohes, befangenes Lachen.
» Aber hallo « , sagte sie plötzlich höchst charmant und streckte mir ihre schlanken, roten, mit Diamanten besetzten Hände entgegen. » Ich bin Margaret Blackwell Pierce. Weltys Schwester. Halb schwester « , korrigierte sie sich und warf über meine Schulter hinweg einen Blick auf Hobie, als sie sah, dass ich die Brauen zusammenzog. » Welty und ich hatten denselben Vater, verstehst du. Meine Mutter war Susie Delafield. «
Sie sprach den Namen aus, als sollte er mir etwas sagen. Ich schaute Hobie an, um zu sehen, wie er darüber dachte. Sie bekam es mit und warf ihm einen scharfen Blick zu, bevor sie ihre Aufmerksamkeit– hell funkelnd– wieder auf mich richtete.
» Und was für ein anbetungswürdiger kleiner Junge du bist « , sagte sie zu mir. Ihre lange Nase war an der Spitze ein wenig rosig. » Ich bin schrecklich erfreut, dich kennenzulernen. James und Pippa haben mir alles über deinen Besuch erzählt– eine ganz außergewöhnliche Angelegenheit. Wir waren völlig aus dem Häuschen. Außerdem « , sie umfasste meine Hand, » muss ich dir aus tiefstem Herzen dafür danken, dass du mir den Ring meines Großvaters zurückgebracht hast. Er bedeutet mir schrecklich viel. «
Ihr? Wieder sah ich verwirrt Hobie an.
» Er hätte auch meinem Vater viel bedeutet. « Ihre Freundlichkeit wirkte routiniert und willkürlich ( » Eimerweise Charme « , hätte Mr. Barbour gesagt), aber der kupferne Rotstich ihrer Ähnlichkeit mit Mr. Blackwell– und Pippa– zog mich wider Willen an. » Du weißt, dass er schon einmal verloren war, oder? «
Der Kessel pfiff. »
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