Der Doktor und das liebe Vieh
schönen Tag?«
Miss Harbottle verzog keine Miene. Sie bedachte den Eindringling mit einem eisigen Blick, aber Phin wandte sich Siegfried zu und entblößte grinsend eine Reihe gelber Zähne. »Na, Chef, wie stehen die Aktien?«
»Alles bestens, Mr. Calvert«, antwortete Siegfried. »Was können wir für Sie tun?«
Phin zeigte mit dem Finger auf mich. »Der da ist mein Mann. Ich möchte, daß er sofort zu mir kommt.«
»Was ist los?« fragte ich. »Sind es wieder die Kälber?«
»Verdammt, nein. Ich wollte, sie wären es. Diesmal ist es mein guter Bulle. Keucht wie ein Blasebalg – so ähnlich wie bei Lungenentzündung, aber noch schlimmer. Er ist in einem gräßlichen Zustand. Sieht aus, als wollte er abkratzen.«
Ich hatte von diesem Bullen schon gehört. Beste Rasse, mehrmals preisgekrönt, der Stammvater seiner Herde. »Ich komme gleich, Mr. Calvert.«
»Guter Junge. Ich fahre schon vor.« An der Tür blieb Phin stehen, und sein wettergegerbtes Gesicht verzerrte sich zu einem Grinsen. »Bye-bye, meine Süße«, rief er und verschwand.
Einen Augenblick lang war der Raum sehr leer und still, dann sagte Miss Harbottle säuerlich: »O dieser Mann! Entsetzlich!«
Als ich in den Hof einbog, warteten Phin und seine drei Söhne schon auf mich. Die jungen Leute sahen deprimiert aus, aber Phin war einfach nicht unterzukriegen. »Da ist er ja, unser guter Junge«, schrie er. »Jetzt geht alles klar.« Er summte sogar eine kleine Melodie, als wir zu dem Verschlag gingen, aber nachdem er einen Blick über die Tür geworfen hatte, sank sein Kopf auf die Brust, und die Hände klammerten sich noch fester an die Hosenträger.
Der Bulle stand wie angewurzelt in der Mitte des Verschlages. Sein großer Brustkorb hob und senkte sich unter mühsamen, schweren Atemzügen. Das Maul war weit offen, er hatte Schaumblasen vor den Lippen und den geweiteten Nüstern, seine Augen starrten angstvoll auf die Wand. Dies war keine Lungenentzündung, es war ein krampfhaftes und vielleicht hoffnungsloses Ringen um Atem.
Er bewegte sich nicht, als ich das Thermometer einführte, und obwohl meine Gedanken sich überschlugen, fürchtete ich, die halbe Minute werde diesmal nicht ausreichen. Ich hatte eine beschleunigte Atmung erwartet, konnte aber nichts dergleichen feststellen.
»Armer alter Kerl«, murmelte Phin. »Er hat mir die besten Kälber gezeugt, die ich je gehabt habe, und er ist so gutmütig wie ein Schaf. Ich hab gesehen, wie meine Enkel unter seinem Bauch durchgelaufen sind, und er hat überhaupt nicht darauf geachtet. Es ist entsetzlich, ihn so leiden zu sehen. Wenn Sie nichts tun können, sagen Sie’s mir, dann hole ich die Flinte.«
Ich nahm das Thermometer heraus. Dreiundvierzig Komma drei. Unmöglich! Ich schüttelte das Thermometer heftig, schob es nochmals in den After und ließ es eine Minute drinnen, damit ich Zeit zum Nachdenken hatte. Als ich dann nachsah, waren es wieder dreiundvierzig Komma drei Grad.
Was um Himmels willen war das? Es konnte Milzbrand sein... mußte es sein... und doch... Ich blickte hinüber zu der Reihe von Köpfen über der Halbtür; sie warteten darauf, daß ich etwas sagte, und ihr Schweigen ließ das qualvolle Ächzen und Keuchen noch schlimmer erscheinen. Über den Köpfen sah ich ein tiefblaues Himmelsviereck, und gerade verdeckte eine Wolke die Sonne. Als sie vorübergeschwommen war, traf mich ein blendender Strahl, so daß ich die Augen schloß. Paradoxerweise ging mir dabei ein Licht auf.
»War er heute draußen?« fragte ich.
»Natürlich, er war den ganzen Morgen auf der Wiese angekettet. Bei diesem schönen, warmen Wetter...«
»Holen Sie schnell einen Gartenschlauch. Sie können ihn an dem Hahn im Hof anschließen.«
»Einen Gartenschlauch? Was zum Teufel...«
»Ja, beeilen Sie sich – er hat einen Sonnenstich.«
In weniger als einer Minute war der Schlauch angeschlossen. Ich drehte ihn voll auf und ließ den kalten Wasserstrahl über das gewaltige Tier fließen – über Kopf und Hals, die Rippen entlang, die Beine hinauf und herunter. So spritzte ich etwa fünf Minuten – allerdings kam es mir viel länger vor, denn ich wartete auf ein Zeichen der Besserung. Ich dachte schon, ich hätte mich geirrt, aber plötzlich sah ich, daß der Bulle einmal tief schluckte.
Das war wenigstens etwas – bei seinem verzweifelten Bemühen, Luft in die Lungen zu bekommen, hatte er seinen Speichel nicht hinunterschlucken können. Ich begann eine deutliche Veränderung bei dem Bullen
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