Der Domino-Killer
mir sah.
Während ich Susanna in ihren Pyjama half, half ich eigentlich Cece. Während ich Susanna half, ihr Gesicht zu waschen und sich die Zähne zu putzen, wusch ich Ceces Gesicht, wurden Ceces Zähne geputzt. Ich setzte Susanna auf meinen Schoß und bürstete ihr das lange weiche Haar, fuhr nach jedem Bürstenstrich mit der Hand glättend darüber. Für ein paar Minuten hatte ich meine Tochter wieder, oder doch wenigstens einen Geist von ihr. Als Susanna aber ihr Lieblingsbuch holte – wie viele Kinder in diesem Alter wollte sie wochenlang immer wieder die gleiche Geschichte hören, im Moment Das Samtkaninchen –, da war Susanna wieder Susanna. Ceces Lieblingsbuch zu der Zeit, als ich sie verloren hatte, war Gute Nacht, Mond gewesen.
Wir setzten uns auf ihr Bett, und ich las ihr vor, nach jeder Seite machte ich eine Pause, damit sie sich das Bild ansehen konnte. Dann kuschelten wir uns für ungefähr zwanzig Minuten zusammen unter die Decke, Nase an Nase, bis sie eingeschlafen war. Andrea hatte mich gebeten, nicht zu lange oben zu bleiben; sie versuchten Susanna beizubringen, dass sie allein einschlief, damit das Zubettgehen einfacher vonstattenging, wenn das Baby erst einmal da war. Aber ich konnte schlicht nicht widerstehen, genoss es, Susannas süßen Atem auf meinem Gesicht zu spüren. Also blieb ich noch ein paar Minuten liegen, während sie schon schlief, und schaute sie nur an, sog ihr Bild in mich auf. Als ich schließlich wieder nach unten kam, gab Andrea keinen Kommentar dazu ab, obwohl ihr klar sein musste, dass ich länger als notwendig bei Susanna geblieben war.
Alle waren müde. Wir halfen, den Tisch abzuräumen, und dann fuhr Mac mich zurück zum Haus meiner Eltern. Meine Mutter und mein Vater nahmen ihr eigenes Auto.
Es war Freitagabend, und mein letztes Wochenende in Montclair stand bevor. Während der Sonntagnachmittag immer näher rückte, beschlichen mich, was meine Abreise anging, ähnlich gemischte Gefühle wie beim Wiedereinzug in mein Elternhaus auf längere Zeit. Körperlich war ich nun so weit, dass ich wieder allein leben konnte. Was meinen Geist betraf, so irrten meine Gedanken hin und her. Und seelisch war ich vollkommen verloren.
KAPITEL 7
Es war das erste Mal, dass ich meine Wohnung wieder betrat, nachdem JPP an jenem Abend versucht hatte mich umzubringen. In meiner Abwesenheit war sie sauber gemacht und aufgeräumt worden. Der einzige Unterschied zu vorher waren die kleinen runden Kameras in jedem Raum, die mich nun Tag und Nacht beobachteten. Vor der Haustür parkte ein Van mit einem Überwachungsteam.
Mac legte meinen Koffer auf das Fußende meines Bettes, die Kulturtasche auf die Ablage des Badezimmerwaschbeckens und den Laptop auf den Küchentisch. Er hatte darauf bestanden, mich persönlich zurück nach Brooklyn zu bringen.
«Wie wäre es mit einem frühen Abendessen, bevor ich zurückfahre?», fragte er. «Geh doch mit mir in eins der fabelhaften Restaurants hier in der Gegend, von denen ich immer wieder höre.»
Er sprach von der Smith Street, eine Straße in der Nachbarschaft, in der sich ein Restaurant ans andere reihte. Während der fünf Monate, in denen ich nun in Brooklyn wohnte, war ich noch in keinem davon gewesen. Ich hatte kein Privatleben und vermisste es auch nicht. Weil ich aber nichts Essbares zu Hause hatte und auch keine Lust, gleich einkaufen zu gehen, war das eigentlich ein guter Vorschlag.
Sonntags um siebzehn Uhr dreißig war es nicht schwer irgendwo einen Tisch zu bekommen. Es war der Ausklang eines warmen Mainachmittags, und so entschieden wir uns für einen Tisch draußen vor einem französischen Bistro, Ecke Dean Street. Mac bestellte uns eine Flasche Wein, die an den Tisch gebracht wurde, während wir die Speisekarte studierten. Als eingeschenkt war, hob er sein Glas. «Auf dich.»
Wir stießen an. Ich nahm einen kleinen Schluck und stellte das Glas ab, war einerseits froh, mit Mac hier zu sitzen, und gleichzeitig fühlte es sich ungeheuer seltsam an. Ich wusste in den meisten Situationen einfach nicht mehr, wer ich war. Karin , half ich meinem Gedächtnis auf die Sprünge, ein Restaurant, Essen . Wir unterhielten uns entspannt und sparten schwierige Themen aus, während wir unsere Forelle Almandine und grüne Bohnen aßen. Irgendwann zündete eine Frau am Nebentisch sich eine Zigarette an, und der Wind trug den Rauch zu uns herüber. Mac wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht herum, um ihn zu vertreiben.
«Val raucht nicht
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