Der Domino-Killer
mehr.»
«Na endlich.» Sie hatte jahrelang weitergeraucht, trotz Macs Bitte, gemeinsam mit ihm aufzuhören.
«Wir waren gestern zusammen essen», sagte er, «und haben uns ein bisschen unterhalten.»
«Und?»
«Wir überlegen, ob wir es noch einmal miteinander versuchen wollen.»
«Aber das ist ja großartig!»
«Na ja, wir denken nur darüber nach. Wir lassen uns Zeit.»
Sie waren achtzehn Jahre verheiratet gewesen und hatten keine Kinder. Ich war so kurz nach meiner Heirat mit Cece schwanger geworden, dass ich mir eine Ehe ohne Kinder gar nicht vorstellen konnte. Mac und Val hatten immer wie ein glückliches Paar gewirkt, aber das jahrelange Zusammenleben musste wohl doch zu größeren Spannungen geführt haben, als es den Anschein gehabt hatte.
Wir aßen auf, tranken den Wein aus, lehnten ein Dessert ab und teilten uns die Rechnung. Der Nachmittag war inzwischen in einen lauen Frühlingsabend übergegangen, und wir spazierten langsam zu meiner Wohnung zurück.
Als wir am Haus angekommen waren, begleitete Mac mich bis vor die Wohnungstür und wünschte mir eine gute Nacht. Aber er machte danach keine Anstalten zu gehen.
«Nein, ich kriege es nicht hin», sagte er.
«Mac …»
«Lass mich bitte auf deiner Couch schlafen.»
«Warum?»
«Nur die eine Nacht, damit ich mich davon überzeugen kann, dass mit dir alles okay ist.»
Hatte er mich etwa deshalb nach Hause begleitet? Nicht nur, um mich vor JPP zu beschützen, sondern auch vor mir selbst? Natürlich. Und vielleicht hatte er ganz recht: Vielleicht gab es wirklich gute Gründe, sich Sorgen um mich zu machen. Ganz gleich, was ich versuchte, ich konnte die tiefe Traurigkeit nicht abschütteln, die seit Monaten ihre Klauen in mich geschlagen hatte. Ich litt noch immer darunter. Es wurde nicht besser. Und noch immer wollte ich diesen Schmerz einfach nur loswerden, ganz egal, wie.
«Mir passiert schon nichts», sagte ich zu Mac.
«Karin, bitte.»
Also suchte ich die Gästedecke, ein Kopfkissen und frische Bettwäsche heraus.
Dann kochte ich eine Kanne koffeinfreien Kaffee, und wir blieben lange wach und spielten Scrabble. Seltsamerweise fühlte es sich vollkommen normal an, in meiner Küche zu sitzen. JPPs Anwesenheit war für mich nicht mehr zu spüren. Meine verschwommenen Erinnerungen daran kamen mir langsam vor wie ein Traum.
«Vielleicht ist er ja wirklich tot», sagte ich.
Mac sah von den Buchstaben auf dem Spielbrett auf. «Vielleicht. Aber darauf verlassen würde ich mich nicht.»
«Stimmt, es wäre zu einfach. Aber …» Ja, was aber? Hier war doch der Wunsch Vater des Gedankens!
Ohne sich darum zu kümmern, dass er am Zug war, schaute Mac mich lange an. «Es ist nicht grad das, was man erwartet, oder? Du kommst zurück nach Hause, und da ist …»
«Nichts.» Rein gar nichts. Die Wohnung war sauber, und es existierten keinerlei Anzeichen mehr dafür, dass dieser Teufel hier gewesen war.
«Was dachtest du bei deiner Rückkehr denn hier vorzufinden?»
Ich überlegte. «Etwas, das mich daran erinnert.»
Er schaute mich an, hörte mir zu.
«Etwas ganz Klares. Wie wenn man ein beschlagenes Glas abwischt. Damit ich mich ganz genau in allen Einzelheiten daran erinnern kann, was passiert ist. Um es zu verstehen und davon ableiten zu können, was als Nächstes kommt. Falls denn etwas kommt. Damit ich mich das nicht mehr dauernd fragen muss.»
«Ja, das wäre schon praktisch, was?» Er beugte sich vor und inspizierte seine Spielsteine, nahm sich ein D und legte es an Zittern an. «Davon träumt doch jeder Detective: Man kommt nach einem beschissenen Tag nach Hause, und alle Informationen, die man bräuchte, warten da schon auf einen.»
Was hatte ich denn erwartet, wenn ich in meine Wohnung zurückkommen würde? Obwohl ich nicht bewusst darüber nachgedacht hatte, musste ich tief im Innern auf etwas Bestimmtes gehofft haben.
Während wir schweigend weiterspielten, fing ich an zu grübeln. Was wollte ich jetzt eigentlich? Dass JPP herkam und meinen Schmerz endgültig beendete? Oder wünschte ich mir, dass er tot war? Das wäre natürlich das Beste gewesen: JPP Vergangenheit, ausgelöscht, weg. Aber wie standen die Chancen dafür? Und wieso kam mir überhaupt der Gedanke, dass ich das vielleicht nicht wollte?
Später, als ich die halbe Nacht im Bett wach lag, begriff ich es. Weil ich immer noch sterben wollte. Und ich fürchtete, dass mir der Mut fehlte, mich selbst umzubringen. Ich brauchte ihn, um das für mich zu erledigen. Ein Teil
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